Hatte Dominik Graf tatsächlich geglaubt unerkannt zu entkommen? Die lange Treppe mit der roten Auslegware vor dem Marler Rathaus nimmt der Regisseur mit riesigen Schritten. Bloß nicht im Blitzgewitter verharren müssen. Doch oben angekommen, muss er kapitulieren. Jetzt richten sich die Mikros und Kameras auf den Mann mit der lässigen Lederjacke. Dieses Gesicht kennt man, gerade in Marl. Hier räumt Dominik Graf den Grimmepreis in diesem Jahr zum neunten Mal ab und ist damit Rekordhalter.
Zwischen Herrencreme und Schnittchen
Beim nachmittäglichen Empfang im Rathaus wimmelt es von Filmemachern, Drehbuchschreibern, Schauspielern und Produzenten. Und während Kika-Moderator Ben vor der Sponsorenwand Faxen macht, guckt Preisträger und Tatortkommissar Udo Wachtveitl fast verzweifelt, als er fürs Foto eine spektakuläre Geste machen soll. "Mir fällt gerade keine ein." Kollege Miroslav Nemec kommt spät und muss schnurstracks in die Maske. Da haben es sich die anderen längst zwischen Schnittchen, Reissalat oder Herrencreme gemütlich gemacht. Man rüstet sich für einen langen Abend. Im Theater nebenan werden in spätestens drei Stunden die Trophäen verteilt.
Qualität statt Kommerz
Dankbar schlank seien diese Grimmepreise, freut sich Dominik Graf und versichert, alle Neune in einem Regal zu horten. Natürlich freue er sich jedes Mal mehr. "Den kriegt man schließlich nicht umsonst, da sind andere Preise billiger zu haben." Mit der Trophäe zeichnet die Jury jährlich Qualitätsfernsehen aus. Graf bekommt seinen Preis diesmal für seinen Mafia-Zehnteiler "Im Angesicht des Verbrechen". Doch statt langer Dankesrede plädiert er später auf der Bühne für ein nachhaltiges Erzählen ohne ständig auf Quoten zu schielen. "Qualität ist wichtiger als Kommerz. Ich möchte, dass nachfolgende Generationen mit wahrhaften Figuren aufwachsen."
Ironisch leichte Lässigkeit
Wahrhaft erzählen, das kann auch die preisgekrönte Regisseurin Hermine Huntgeburth. Ihr Film "Neue Vahr Süd" spielt mit dem Zeitgeist der 80er Jahre. "Ich konnte mich damit in die Zeit meiner Jugend beamen. Eine merkwürdige Zeit dazwischen ist das gewesen, politisch undefiniert." Hauptdarsteller und Jungstar Frederick Lau habe dieses Gefühl sehr ehrlich rüber bringen können. "Stoisch und zugleich mit jugendlicher Lebenslust." Die Grimme-Jury jedenfalls attestiert dem Streifen eine "ironisierte leichte Lässigkeit".
Krömer, die Sechste
Die Gala selbst jedoch beginnt mit einer Kunstfigur im Karolook. Alexander Bojcan alias Kurt Krömer darf den Grimmepreis für die Sparte Unterhaltung mit nach Hause nehmen. Endlich. Immerhin hat der Berliner Komiker sechs Anläufe dafür gebraucht. So oft nämlich war er bereits für den Grimmepreis nominiert. "Ick hab da ma ne Frage an die Jury: Wat war da los die letzten Jahre?"
Sendezeit gnadenlos überzogen
Durch den Abend auf der Marler Theaterbühne führt Helmar Willi Weitzel, den mancher Zuschauer aus der Kindersendung "Willi wills wissen" kennen könnte. Als Gala-Moderator allerdings stößt Weitzel des Öfteren an seine Grenzen und wirkt manchmal so, als wären ihm im Laufe des Abends die Fragen ausgegangen. Die meisten Preisträger greifen ihm wahrscheinlich auch deshalb allzu schnell und beherzt ins Mikro, um lange Dankesreden anzustimmen. Am Ende überzieht Weitzel gnadenlos um fast eine Stunde.
Krömer mimt das Pult für Gottschalk
Stehende Ovationen gibt es schließlich für den letzten Preisträger des Abends. Thomas Gottschalk erhält den Ehrenpreis und bedankt sich auf seine Weise: "Ich werde dafür geehrt, dass ich es hinter mir habe." Da Gottschalk seine Rede am liebsten an einem Pult halten will, im Theater aber keines aufzutreiben ist, müssen Kurt Krömer und Moderator Weitzel kurzerhand einspringen: Krömer als Stehpult und Weitzel als Mikrofonständer. Und dann appelliert auch Gottschalk an Fernsehschaffende, nicht immer nur Zielgruppen und Quoten hinterherzujagen. "Manchmal dauert es etwas, ein Juwel zu erkennen - das sieht man ja an mir."