Die erste politische Aufarbeitung im Wirtschaftsausschuss des Düsseldorfer Landtags am Mittwoch (06.04.2011) macht alles noch schlimmer. Staatssekretär Günther Horzetzky (SPD) muss sich den Fragen von FDP und CDU über das Wirrwarr um den Verbleib der 2.285 radioaktiven Brennelemente-Kugeln aus dem Forschungszentrum Jülich stellen. Er vertritt Wirtschaftsminister Harry K. Voigtsberger (SPD), zuständig für die Atomaufsicht in NRW, der an diesem Tag auf der Verkehrsminister-Konferenz in Potsdam ist. Nur: Horzetzky macht keine gute Figur.
Regierung will Bericht bis Ostern liefern
Erste Frage an ihn: Seit wann ist im Ministerium bekannt, dass noch alle Kugeln im Zwischenlager des Forschungszentrums vorhanden sind? Der Staatssekretär weiß es nicht, will es mit der Fachabteilung klären, den Bericht am Donnerstag schriftlich liefern. Dabei hat das Bundesumweltministerium einen Tag zuvor - nach einem eingeforderten Bericht des NRW-Wirtschaftsministeriums - erklärt, dass alle Kugeln da sind. Zweite Frage: Und wo sind die Kugeln jetzt - sind sie einzementiert, zerbrochen? Horzetzky weiß es nicht, verspricht einen Bericht bis Ostern, der "lückenlose Aufklärung" liefern soll.
Dritte Frage: Wenn alles so lückenlos dokumentiert sei, wie könne denn die NRW-Forschungsministerin Svenja Schulze (SPD) behaupten, Brennelemente würden auch im Forschungsbergwerk Asse in Niedersachsen gelagert? Der Staatssekretär spricht viel von verschiedenen Angaben. Darüber, dass es in einem Schreiben des Bundesumweltministers Hinweise gegeben hätte. Eine Antwort gibt er nicht.
Kommunikation nicht gut gelaufen
Eine halbe Stunde dauert das Frage-Antwort-Hin-und-Her. Schließlich gibt der Staatssekretär zu, dass in diesem Fall die Kommunikation nicht gut gelaufen sei: "Es gibt Anlass, Kommunikations- und Informationsprozesse zu optimieren." Den gibt es in der Tat: Anscheinend wurden unklare Angaben falsch gedeutet, die Abstimmung zwischen Forschungs- und Wirtschaftsministerium lief nicht gut, mittlerweile schieben sie sich die Schuld für das Informationschaos gegenseitig zu.
Es scheint so, als ob SPD und Grüne im Übereifer ein Eigentor geschossen haben, das FDP und CDU nun nutzen, um die Regierung anzugreifen. FDP-Fraktionschef Gerhard Papke spricht von einem "peinlichen Rumgeeiere" und darüber, dass die Landesregierung anscheinend den "Überblick" verloren und damit "Unsicherheit in der Bevölkerung geschürt" habe. "Peinliche Posse" nennt das alles die CDU. Auf Antrag der Liberalen wird der Landtag am Freitag über das Thema debattieren.
Vage Antworten bei hochsensiblem Thema
Auslöser für die widersprüchlichen Angaben zu den Brennelemente-Kugeln war eine Kleine Anfrage des Grünen-Politikers Hans Christian Markert, der am Mittwoch alles andere als glücklich dreinschaut. Er wollte eigentlich auf Missstände im Forschungszentrum Jülich hinweisen, dessen Mehrheitsteilhaber der Bund ist - und der rot-grünen Landesregierung damit wohl eine Vorlage bieten. Nur antwortete die zuständige Wissenschaftsministerin Schulze, in Absprache mit dem Wirtschafts- und Umweltministerium, so vage, dass zu dem Verbleib von 2.285 Brennelemente-Kugeln "keine abschließenden Aussagen" getroffen werden können und "allem Anschein nach" auch Kugeln "zum Beispiel im Forschungsbergwerk Asse eingelagert worden sind." Und das bei dem hochsensiblen Atomthema.
Im NRW-Wissenschaftsministerium heißt es, man habe immer wieder unterschiedliche Zahlen aus Jülich über die Atomkugeln bekommen. Aber dann hätte die Regierung diesen unterschiedlichen Informationsstand in ihrer Antwort deutlich machen - und eine genaue Überprüfung ankündigen müssen.
Steilvorlage für Bundesumweltminister Röttgen
Stattdessen lieferte Rot-Grün eine Steilvorlage für Norbert Röttgen. Der ist nicht nur der für Atomfragen zuständige Bundesumweltminister, sondern auch NRW-CDU-Landeschef. Röttgen nahm das Thema in die Hand und bestellte das NRW-Wirtschaftsministerium zum Bericht ein. "Mit ihren spekulativen Angaben haben das Wissenschafts-, Umwelt- und Wirtschaftsministerium nur für Verunsicherung gesorgt. Die Beteiligten haben versucht, aus einer ernsthaften Diskussion über die Zukunft der Kernenergie Kapital zu schlagen", so seine politische Bewertung.
"Jedes Gramm ist genau nachzuweisen"
NRW-Wirtschafts-Staatssekretär Horzetzky betont am Mittwoch, dass es nicht um die Anzahl der Kugeln gehe, sondern vielmehr um die Menge des spaltbaren Materials - und da könne man "jedes Gramm genau nachweisen". Warum denn dann in der Antwort der Regierung auf die Kleine Anfrage nur von Kugeln die Rede sei, will ein FDP-Politiker im Ausschuss wissen. "Wenn eine Frage nach Kugeln gestellt wird, bekommen Sie eine Antwort auf Kugeln."