Noch ist die Ditib-Merkez-Moschee in Duisburg eine riesige Baustelle, aber der imposante Kuppelbau und das Minarett sind bereits von Weitem zu sehen. Mitte 2008 soll die Moschee eingeweiht werden, bis dahin ist der Arbeitsplatz von Zehra Yilmaz in einem Baucontainer. Yilmaz ist Mitarbeiterin der Begegnungsstätte der Moschee, einem soziokulturellen Zentrum. Ernst Raunig ist Pfarrer der benachbarten evangelischen Gemeinde.
Beide verstehen sich gut, nicht nur weil Zehra Yilmaz unter anderem evangelische Theologie studiert hat. Die Muslima und der Pfarrer arbeiten im Beirat der Moschee zusammen, der Konflikte zwischen den Religionen vermeiden und somit gegen Islamfeindlichkeit ankämpfen soll.
WDR.de: Sogar der amerikanische Botschafter William Timken kam bereits hierher, um sich über das "Marxloher Modell" zu informieren. Was ist das Besondere daran?
Zehra Yilmaz: Das Besondere an unserem Projekt ist nicht nur die Größe, zurzeit ist es ja Deutschlands größte Moschee, sondern dass es unter den Kuppeln nicht nur einen Gebetsraum gibt, sondern auch eine Bildungs- und Begegnungsstätte. Also, dass diese Moschee für alle Menschen offen ist. Das ist ein echtes Leuchtturm-Projekt.
Ernst Raunig: Ich glaube, das Marxloher Modell ist Mitmenschlichkeit. Beide Religionen, Christentum und Islam leben hier, was in Bibel und Koran steht: Dass alle Menschen Gottes Kinder sind. Der Dialog und die Kontakte zur Moschee bestehen bereits seit über 15 Jahren. Es wurde schon im Vorgängerbau, in der alten Moschee hier an der Warbruckstraße aus der Bibel vorgelesen, und in unserer Kreuzeskirche wurde aus dem Koran gelesen. Das war beides mal sehr gut besucht. Und hier haben die Leute keine Sorge, dass da was Neues kommt, denn die Moschee wird von den Leuten besucht, die wir seit Jahren und Jahrzehnten kennen. Und noch etwas wird bei der Begegnungsstätte deutlich: Sie ist im Erdgeschoss der Moschee, das heißt, sie bildet die Basis. Aber der Dialog ist natürlich etwas, das sich im Alltag bewähren muss.
WDR.de: Wie sieht denn Ihr Alltag als Muslima in Duisburg aus, Frau Yilmaz?
Yilmaz: Hier bei meiner Arbeit und auch an der Universität hatte ich keine Probleme. Aber im Alltag, wenn ich auf der Straße bin, ich wohne im Duisburger Süden, ist es doch schon so, dass man leider eine gewisse Ausländerfeindlichkeit merkt. Es gehört, behaupte ich, zum Alltag einer muslimischen Frau, gerade wenn sie äußerlich sichtbar ist durch das Kopftuch, dass sie diskriminiert wird. Dass man vor ihr ausspuckt, das habe ich persönlich erlebt, oder dass man sie beschimpft. Auch Blicke können manchmal sehr viel aussagen.
WDR.de: Was hilft gegen diese Diskriminierungen?
Yilmaz: Ich find's wichtig, ganz klein anzufangen. Und da machen wir eine tolle Sache, einen gemeinsamen Einschulungs-Gottesdienst: Dann kommt Herr Raunig, betet und liest aus der Bibel und die christlichen Kinder beten, dann kommt der katholische Pastor, er betet und dann kommt unser Imam. Und die Kinder sehen, sie sind unterschiedlich - und das sollen sie auch sehen, wir wollen ja nichts verwischen - aber sie gehören zusammen. Sie wohnen im Stadtteil zusammen, sie lernen in der Klasse zusammen. Die Unterschiede sind kein Grund, dass man sich anfeindet, man gehört zusammen - zu diesem Stadtteil, zu dieser Gesellschaft, zu diesem Land.
WDR.de: Gibt es Konflikte, die Sie frühzeitig durch den Beirat entschärfen konnten?
Raunig: Ja, der Termin des Spatenstichs zum Beispiel. Der damalige Ministerpräsident Steinbrück und der Bauminister Vesper hatten ihn auf den Karfreitag gelegt. Der Termin musste dann in der Karwoche bleiben, es ließ sich leider nicht anders machen, aber wir konnten ihn auf den Mittwoch verschieben. Bei künftigen Terminierungen sind wir nun umso aufmerksamer.
WDR.de: Gibt es denn auch Vorbehalte gegen Muslime in Ihrer evangelischen Gemeinde?
Raunig: Es gibt natürlich immer wieder mal Leute, die das nicht gut finden. Wir sind ja Realisten. Diese Ängste, die da sind, die kann man einfach auch nur überwinden, indem man sich kennenlernt und ins Gespräch kommt. Wir haben zum Beispiel in den Gottesdiensten auch muslimische Gäste. Und ich glaube, das gilt für Muslime wie für Christen gleichermaßen: dass ein gesundes Selbstbewusstsein eben zur Öffnung der eigenen Person führt. Und dass man eben dann, wenn man über sich selbst und seinen eigenen Glauben genug weiß, auch zu anderen gehen kann.
WDR.de: Und wie sieht es bei Ihnen aus, Frau Yilmaz?
Yilmaz: Wir sind eine sehr offene Gemeinde. Schon vor vielen Jahren, als das noch nicht üblich war, gab es hier Moschee-Führungen. Aber in Duisburg gibt es natürlich auch Muslime, die von dem, was hier in der Begegnungsstätte ablaufen wird, nicht so viel halten. Und ich hab auch in der katholischen Kirche mehrere ältere Frauen kennengelernt bei einem gemeinsamen Teetrinken nach dem Gottesdienst, die gesagt haben: Ich würde nie in eine Moschee gehen. Und gerade bei diesen Frauen war es wichtig, dass wir zu ihnen gegangen sind. Bei diesem Teetrinken haben sie gemerkt, dass wir auch nur Menschen sind, dass sie keine Angst haben müssen. Ich glaube nicht, dass diese Damen in die Moschee kommen würden, und bei uns gibt es auch Menschen, die nie in eine Kirche gehen würden. Aber zumindest haben wir das Bild, das diese katholischen Frauen von Muslimen haben, ein bisschen verändern können.
Das Interview führte Sabine Tenta