"Wir entschuldigen uns." Gleich mehrere Redner aus unterschiedlichen Fraktionen des Düsseldorfer Landtags sprachen diesen schlichten, aber bedeutsamen Satz aus. Aus ihnen sprach Scham: Die Scham darüber, dass eine Terrorzelle jahrelang unerkannt Anschläge und Morde in Deutschland verüben konnte, ohne dass es den Sicherheitsbehörden gelang, einen Zusammenhang mit dem rechtsextremen Milieu herzustellen, geschweige denn, die Täter zu überführen. Es war die Scham darüber, dass Polizei und Politik immer wieder die falschen Schlüsse gezogen hatten, dass sie die Opfer verdächtigten, Kriminelle zu sein. Und es war die Scham über die ungeklärte Rolle des Verfassungsschutzes, den Verdacht, dass Geheimdienstmitarbeiter möglicherweise mehr gewusst haben, als sie heute zugeben.
"Wir haben versagt"
Carina Gödecke, Abgeordnete der SPD und erste Vizepräsidentin des Landtages, eröffnete die Aussprache mit einer ruhigen, sehr klugen Rede. Sie stellte Fragen, weit mehr als sie Antworten hatte. Und sie kam zu einem beunruhigenden Fazit: "Als Kollektiv, als demokratischer Rechtsstaat, als Versammlung anständiger Demokraten haben wir versagt." Nun gelte es, den Rechtsterrorismus mit "aller Härte" zu bekämpfen. Am Ende gab es von allen Abgeordneten lang anhaltenden Applaus.
"Mehr Empathie für die Opfer"
Auch Armin Laschet, der frühere Integrationsminister und heutige stellvertretende Fraktionschef der CDU, bekam viel Applaus. Ihm gelang eine gute, nachdenkliche Rede. Das Schicksal der Opfer der rechten Terrorserie habe in Deutschland kaum jemanden erreicht, sagt Laschet selbstkritisch. Anders als bei den RAF-Morden habe es keine Demonstrationen gegeben, stattdessen Verdächtigungen, die Ermordeten seien selbst in kriminelle Machenschaften verstrickt. Auch Laschet entschuldigte sich dafür und forderte zu mehr Anteilnahme auf: "Wir müssen für die Opfer genauso viel Empathie empfinden wie für die Opfer der RAF."
"Verfassungsschutz tief in die rechte Szene verstrickt"
Mit provozierenden Zwischenrufen machte die Linkspartei auf sich aufmerksam. Die Rede der Abgeordneten Anna Conrads fiel kritischer aus als bei den anderen Rednern. Conrads prangerte die Arbeit des Verfassungsschutzes an, der "tief in die rechte Szene verstrickt" sei. Sie sprach von staatlich geduldetem Terrorismus und wiederholte die bekannte Forderung der Linkspartei nach einer Auflösung des Verfassungsschutzes und dem Abzug sämtlicher V-Leute.
"Es darf keine Symbiose zwischen Behörden und Terroristen geben."
Der angesprochene Innenminister Ralf Jäger (SPD) ging darauf nicht ein, sondern erstatte zunächst nüchtern Bericht über den Stand der Ermittlungen. Danach gebe es derzeit keine Anhaltspunkte für Verbindungen zwischen der Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen und Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" in Thüringen. Auch Jäger entschuldigte sich bei den Opfern, versprach einen Ausbau des Aussteigerprogramms für Rechtsextreme und gab das Ziel aus, das Vertrauen der Bürger in die Sicherheitsbehörden wieder herstellen zu wollen. "Es darf keine Symbiose zwischen Behörden und Terroristen geben."
"Ich mache mir Sorgen um meine Familie"
Kritik, Bedauern und die Forderung nach einer lückenlosen Aufklärung prägten auch die Redebeiträge der Abgeordneten von Grünen und FDP. Es waren aber die sehr persönlichen Auftritte zweiter Politiker mit türkischen Wurzeln, die besonderen Eindruck hinterließen. Ibrahim Yetim (SPD) bekannte, dass er wie alle Türkeistämmige in Deutschland Angst habe. "Ich mache mir Sorgen um meine Familie", sagte der Abgeordnete aus Dinslaken und rief alle dazu auf, Acht zu geben auf Nachbarn, Freunde und Kollegen. Özlem Demirel (Linkspartei) verlas mit bewegter Stimme die Namen aller bislang bekannten Todesopfer der Terrorgruppe und behauptete, dass es in Deutschland weit mehr Opfer von Rechtsextremisten gebe als offiziell zugegeben werde. Demirel forderte alle Abgeordneten des Landtags auf, künftig gemeinsam gegen Rechts zu demonstrieren - ein Seitenhieb auf die CDU, die in der Vergangenheit kritisiert hatte, dass sich Landtagspolitiker bei Demos gegen Rechts an Sitzblockaden beteiligt hatten.
Was bleibt von der Aktuellen Stunde zum Rechtsextremismus im Landtag? Es bleibt die ungeklärte Frage, wie die Politik mit der NPD umgehen soll. Es bleibt der Eindruck ratloser, beschämter Politiker. Es bleiben eindringliche, in dieser Form selten gehörte, selbstkritische Worte. Und es bleibt: "Wir entschuldigen uns."