Ausschuss berät Anschlag auf Keupstraße

"Salami-Taktik" und "plausible Antworten"

Stand: 11.04.2013, 15:14 Uhr

Es war ein beunruhigender Verdacht: Hatte die Polizei vor dem Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße Hinweise auf die Tat? Der Innenausschuss des Landtags hat sich am Donnerstag mit dieser Frage befasst. Und ist am Ende zu einer einhelligen Meinung gekommen.

Der Verdacht gegen die Kölner Polizei kam auf, nachdem unter anderem der WDR darüber berichtet hatte, dass zwei Polizisten unmittelbar nach dem Bombenattentat mit 22 Verletzten am Tatort waren. Ein Zufall? Der CDU-Obmann im Berliner NSU-Untersuchungsausschuss, Clemens Binninger, bezweifelt das. Öffentlich hat er die Frage gestellt, ob die beiden Polizisten vor Ort waren, weil es einen vagen Hinweis gegeben hatte, dass "etwas passieren könne". Das, so Binninger, wäre ein Skandal. Womit der CDU-Politiker recht hätte, allein, es gibt vermutlich keinen Skandal.

Warum waren die Polizisten so schnell vor Ort?

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) und der Leitende Ministerialrat Uwe Reichel-Offermann berichteten dem Innenausschuss des NRW-Landtags, warum die beiden Polizisten an jenem 9. Juni 2004 in der Nähe der Keupstraße waren. Die Beamten seien bei einem Routineeinsatz als "motorisierte Präsenzstreife" in der benachbarten Schanzenstraße unterwegs gewesen, sagt Reichel-Offermann. Die Schanzenstraße galt der Polizei damals als Brennpunkt für Drogenkriminalität. Die beiden Beamten seien dort gewesen, um "das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung" zu verstärken und notfalls eingreifen zu können, wenn etwas geschehe. Ob die beiden Polizisten Uniform trugen oder in zivil unterwegs waren, kann angeblich nicht mehr geklärt werden.

Ein Hauptkommissar als Streifenpolizist?

Ein Zeuge, der frühere Vorsitzende der Interessensgemeinschaft Keupstraße Ali Demir, hatte im November 2012 gegenüber dem WDR gesagt, er habe gleich nach dem Anschlag zwei Männer in ziviler Kleidung gesehen, die Schusswaffen trugen. Das habe er auch der Polizei mitgeteilt, doch die habe nicht reagiert. Demir selbst wurde erst nach den Medienberichten vor den Untersuchungsausschuss geladen. Er wundert sich darüber, und Mitglieder des U-Ausschusses in  Berlin fragen sich, warum der Spur nicht nachgegangen wurde. Verdächtig erschien ihnen auch, dass in einem Schreiben des NRW-Innenministeriums an den U-Ausschuss einer der beiden Polizisten als Hauptkommissar bezeichnet wird. Polizisten mit einem solch hohen Dienstgrad gingen üblicherweise nicht Streife, hieß es. Also doch kein Routineeinsatz? Will die Polizei etwas vertuschen? Gab es doch vorab Hinweise auf einen Anschlag?

Einsatzbericht befand sich in den Akten

Minister Jäger bemüht sich im Ausschuss um Sachlichkeit, kann aber nicht verbergen, dass ihn die Verdächtigungen ärgern. In dem Schreiben sei der aktuelle Rang des Polizisten genannt worden. 2004 jedoch sei der Mann erst einfacher Kommissar gewesen. Jäger widerspricht auch der Darstellung, die "Spur" sei erst Jahre später verfolgt worden. Im Gegenteil hätten die beiden Polizisten noch am selben Tag einen Einsatzbericht abgegeben. Dieser sei in die Ermittlungsakten aufgenommen und dem Generalbundesanwalt zugeleitet worden. Von Anfang an, so Jäger, sei den Behörden bekannt gewesen, dass die Polizisten sehr schnell nach dem Anschlag vor Ort waren. Ihre Aussagen waren bekannt, eine erneute Befragung unnötig. Erst nach den Medienberichten über Bewaffnete in Zivil seien Demir und die Polizisten vernommen worden, um sicher zu gehen, dass es sich um die beiden Beamten gehandelt habe.

"Akten lesen, statt wilde Theorien aufzustellen"

"Da ist nichts verheimlicht worden", beteuert Jäger. Der ganze Vorgang stehe in den Akten, auf die auch der U-Ausschuss zugreifen könne. In Richtung CDU-Obmann Binninger sagt Jäger: "Er hätte die Akten lesen sollen, statt wilde Theorien aufzustellen. Es ist unverantwortlich, die Angehörigen der Verletzten mit unhaltbaren Gerüchten zu verunsichern."

Deutliche Worte, und die CDU fühlt sich davon natürlich provoziert. "Der Minister nimmt das Thema nicht ernst", beschwert sich Innenexperte Peter Biesenbach im Ausschuss. Die Wahrheit komme immer nur scheibchenweise ans Licht. "Das ist Salami-Taktik und nicht transparent." Nachgefragt, ob er, Biesenbach, den Bericht des Innenministeriums anzweifelt, muss er aber zugeben: "Die Antworten sind plausibel."