Der Fall hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht: Kurz nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie waren im November 2011 im Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln-Chorweiler sieben Akten einfach vernichtet worden. Es ging um Dokumente zum "Thüringer Heimatschutz" und V-Leute bei der "Operation Rennsteig". Nach Informationen von WDR.de waren darin unter anderem Informationen über an V-Leute ausgezahlte Gelder sowie Forschungs- und Werbungsfälle enthalten. Nachdem die umstrittene Akten-Vernichtung im Untersuchungsausschuss des Bundestags bekannt geworden war, gingen bei der Kölner Staatsanwaltschaft mehrere Strafanzeigen ein.
Ungeschickt, aber nicht strafbar
Der zuständige Staatsanwalt Ulf Willuhn beschäftigte sich fast ein Jahr lang detailliert mit den Vorwürfen. "Nach dem Ergebnis unserer Prüfung können wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es da nichts gegeben hat, was Strafgesetze verletzt hat", sagte er am Mittwoch (26.06.2013) gegenüber WDR.de: "Dass es da womöglich ein ungeschicktes und insbesondere im politischen Raum - ja, sehr ungeschicktes Verhalten eines einzelnen Mitarbeiters des Verfassungsschutzes gegeben hat, das ist sicher zu bejahen. Dass das aber eben die Grenze des Strafrechts erreicht hätte, das können wir mit Sicherheit ausschließen."
Bei seinen Nachforschungen habe er Unterstützung des Generalbundesanwalts und des Bundesinnenministeriums bekommen. Die Verantwortlichen im Bundesamt für Verfassungsschutz hätten umfassend mit den Ermittlern kooperiert. Weil noch kein formales Strafverfahren eröffnet worden war, hätte es ohnehin keine Möglichkeit von Durchsuchungen oder zwangsweisen Zeugenbefragungen gegeben. Die sieben vernichteten Akten seien mithilfe anderer, übergeordneter Dokumentensammlungen inzwischen nahezu vollständig wieder hergestellt worden.
"Die Akten sind sauber - die müssen weg"
Eine der Strafanzeigen hatte der bundesweite Verband der Archivarinnen und Archivare Ende Juni 2012 gestellt. Auf sechs eng beschriebenen Seiten argumentiert die Kölner Staatsanwaltschaft jetzt, warum sie auf ein formales Strafverfahren verzichtet. Dass der Verfassungsschutz die als "Geheim" klassifizierten Akten den Ermittlern vorgelegt habe, stehe "einem Vertuschungsszenario objektiv entgegen", heißt es darin. Die Papiere seien seinerzeit vernichtet worden, weil sie nach den einschlägigen Vorschriften ohnehin längst hätten entsorgt werden müssen. "Die Akten sind sauber, da ist nichts drin, die sind geprüft", soll ein Mitarbeiter des Amtes gesagt haben. In der Einstellungs-Verfügung ist das Zitat des Verfassungsschutz-Beschäftigten weiter dokumentiert: "Das reicht. Sonst haben wir die noch hundertmal auf dem Tisch liegen. Die sind sowieso zu alt. Die müssen weg."
Beim Verband der Archivare freute man sich auf Anfrage von WDR.de zwar über die gewissenhafte Prüfung durch die Kölner Staatsanwaltschaft. "Die Aktenvernichtung wird vom Bundesamt eingeräumt, ist nachgewiesen", sagte Vize-Vorsitzender Clemens Rehm: "Auch die Motive sind in der Einstellungsverfügung dargelegt. Für einen Archivar, der geregelte Verfahren gewohnt ist, ist das aber - Sie erlauben den saloppen Ausdruck - etwas hemdsärmlig geschehen. Da wäre sicher mehr Fachlichkeit angebracht gewesen."
Archivare-Verband prüft Beschwerde
Trotzdem prüfe man, gegen den Verzicht auf ein formelles Strafverfahren Beschwerde einzulegen. Nach dem Bundesarchivgesetz müssten alle Unterlagen, die Behörden des Bundes zur Erfüllung ihrer Aufgaben anlegen, dem Bundesarchiv zur Verwahrung angeboten werden. Ausdrücklich zählten dem Gesetz zufolge dazu auch solche Papiere, die mit der Wahrung der Sicherheit der Bundesrepublik zu tun haben. Im Fall des NSU seien die Akten aber wohl offenbar nicht wie vorgeschrieben dem Bundesarchiv zur Verwahrung angeboten worden, meint Clemens Rehm. Dem Ziel des Gesetzes, mit Hilfe von Archiven Transparenz über politische Entscheidungen und Behördenhandeln zu schaffen, sei damit nicht entsprochen worden, so Rehm: "Die Vorstellung, dass eine Behörde sozusagen nicht einbezogen wird in diesen Auftrag, der ist doch sehr schwer nachvollziehbar." Notfalls müsse man das entsprechende Gesetz noch einmal präzisieren.