Entsetzen, Empathie, Engagement, Empowerment – das war das Motto für das 44. Herbsttreffen der Medienfrauen am 18. November 2022. Mit Resolutionen zu den Themen "Hass gegen Frauen", "Frauen in Iran" und "Ungleichheit im Musikbusiness" endete das jährliche Branchentreffen von Mitarbeiterinnen öffentlich-rechtlicher Sender. Rund 350 Teilnehmerinnen formulierten nach spannenden Expert:innengesprächen ihre Forderungen unter anderen an die Intendant:innen von ARD, ZDF, Deutschlandradio, Deutscher Welle und ORF. Moderiert wurde das 44. Herbsttreffen der Medienfrauen von Shanli Anwar und Marianna Deinyan.
Vormittags stand beim 44. Herbsttreffen der Medienfrauen das Thema Hass gegen Frauen im Vordergrund. Die Expertinnen Mo Asumang, Sarah Bora, Susanne Kaiser, Georgine Kellermann und Anna Wegscheider spürten mit den beiden Moderatorinnen Ursachen auf, trugen Ausprägungen zusammen und zeigten Lösungs- und Schutzmöglichkeiten auf.
Mina Khani, Bloggerin und Autorin, Gilda Sahebi, Journalistin, Ärztin und Politikwissenschaftlerin, und Yalda Zarbakhch, Leiterin des Farsi-Programms der Deutschen Welle erörterten mittags in der Expertinnenrunde zu „Frauen in Iran“ mit Shanli Anwar, worum es den Menschen geht, die bei den Protesten in Iran ihr Leben aufs Spiel setzen, und wie die Medien über die Entwicklungen berichten.
Der Nachmittag war beim 44. Herbsttreffen der Medienfrauen der Ungleichheit im Musikgeschäft gewidmet. Marianna Deinyan und Shanli Anwar sprachen mit den Expert:innen Alin Coen, Balbina, Francis Gay, Lea Karwoth, MARI.AMA und Sarah Mibus über ihre Erfahrungen im Musikbusiness, über Sexismus und darüber, was getan werden muss, um mehr Musikerinnen sicht- und hörbar zu machen.
Drei Resolutionen
"Attention matters. Mediale Aufmerksamkeit kann Leben retten" – mit diesen Worten beginnt die auf dem diesjährigen Herbsttreffen der Medienfrauen ausgearbeitete Resolution, die „mehr Berichterstattung über die feministische Revolution in Iran" fordert. Ein darin enthaltender Forderungskatalog nimmt die Intendant:innen von ARD, ZDF, Deutschlandradio, Deutscher Welle und ORF in die Pflicht, die Freilassung in Iran inhaftierter Journalist:innen und die Wiederherstellung der Pressefreiheit zu fordern. Darüber hinaus sollen sie eine kontinuierliche Berichterstattung über die Revolution und auch über die Verbrechen des Regimes sicherstellen. Exil-Iraner:innen, insbesondere Frauen und Angehörige von Minderheiten, sollten dabei mehr zu Wort kommen. "Sensibilisieren Sie Ihre Redaktionen für das Wording und Framing bei der Berichterstattung, um keine Narrative der Islamischen Republik zu übernehmen", heißt es in dem Papier. An die Zivilgesellschaft appelliert die Resolution, Solidarität zu zeigen und die Proteste mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen.
"Wenn Frauen sich im Netz nicht mehr äußern wollen, weil sie mit Hass überschüttet werden, wenn Journalistinnen nicht mehr über bestimmte Themen berichten können, sind nicht nur die jeweiligen Kolleginnen, sondern auch die Pressefreiheit und der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Gefahr", ist eines der Fazits, das in einer Resolution zum Thema "Hass gegen Frauen" gezogen wird. Daraus ergeben sich unter anderem Forderungen nach Unterstützung betroffener fester wie freier Kolleginnen durch Ansprechpersonen, Krisenpläne, juristische Hilfe, Schulungen und Supervisionen. "Lassen Sie recherchieren, wer hinter vermeintlichen 'Shitstorms' steckt", so ein weiterer Appell, "Shitstorms sind kein Naturereignis, sondern oft kuratierte Aktionen gegen einzelne Personen." Darüber hinaus werden Programmformate eingefordert, die über die Bedeutung von Meinungsfreiheit, aber auch über die Folgen von (digitalem) Hass und Diskriminierung aufklären. Egal ob analog oder digital, die Gesellschaft müsse mehr gegen Hass und Gewalt gegen Frauen und gesellschaftliche Minderheiten unternehmen, und die Medien müssen mehr über Hintergründe und gesellschaftliche Strukturen berichten, die Hass und Gewalt ermöglichen, statt die Berichterstattung auf Einzelfälle zu fokussieren.
Forderungen an die Musikindustrie
"Die Musikbranche ist weiterhin ein Boys‘ Club", fasst Initiatorin Elisabeth Furtwängler die Ergebnisse einer Erhebung der MaLisa-Stiftung in Kooperation mit GEMA und Music S Women* zusammen: Die deutschen Wochencharts werden zu 85 Prozent von Männern dominiert, nur 6 Prozent der bei der GEMA gemeldeten Songs sind von Frauen, und der Frauenanteil auf Festivalbühnen liegt bei 16 Prozent. In der dritten verabschiedeten Resolution fordert das Herbsttreffen der Medienfrauen von den Verantwortlichen der Musikindustrie, stereotype Vorurteile zu hinterfragen und weiblichen Nachwuchs gezielt zu fördern. Eine Mindestquote bei Festival Line-ups soll einen höheren Anteil von Frauen und geschlechtsspezifischen Minderheiten garantieren. Die Intendant:innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden aufgefordert, für ausgewogene Geschlechterverhältnisse in Playlists und in der musikjournalistischen Berichterstattung zu sorgen. "Drängen Sie bei Vereinbarungen mit Medienpartner:innen und Veranstalter:innen von Festivals oder Konzerten auf Geschlechtergerechtigkeit auf den Bühnen", heißt es abschließend.
Ernste Themen empathisch und engagiert diskutiert
Rund 350 Medienfrauen und Expert:innen haben an dem Kongress teilgenommen, der in diesem Jahr vom WDR veranstaltet wurde. Britta Frielingsdorf, WDR-Beauftragte für Gleichstellung und Diversity of People, zieht eine begeisterte Bilanz: "Wir hatten tolle Gesprächspartner:innen zu unseren Schwerpunktthemen und engagierte Expert:innen in mehr als 20 Workshops. Das mit unserem Motto gesetzte Ziel -- 'Entsetzen, Empathie, Engagement, Empowerment' – haben wir erreicht. Wir wollten ernste Themen mit Empathie und Engagement diskutieren, und das Herbsttreffen sollte die Teilnehmer:innen stärken. Das ist uns gelungen. Und das freut uns wirklich sehr."
Zum Abschluss des Kongresses wurde der Staffelstab an den MDR übergeben, der im kommenden Jahr das Herbsttreffen ausrichten wird. "Wir treffen uns dann hoffentlich wieder in Präsenz", sagte die Gleichstellungsbeauftragte Claudia Barnhofer-Schuppe und kündigte an, das wichtige Thema "Hass gegen Frauen/Hate Speech" erneut aufzugreifen, und auch die Bereiche Sport und Diversity in den Fokus zu nehmen.
Begrüßung durch Shanli Anwar und Marianna Deinyan.
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