NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst war bei Olympia in Paris live dabei. Und er bleibt trotz der ins Leere gelaufenen Bewerbung für die Ausrichtung der Spiele 2032 ein großer Befürworter, dass NRW sich weiter um die Olympischen Spiele bemüht. "Wir hätten sie, glaube ich, alle sehr gerne hier bei uns. Ob 36 oder 40 - das müssen am Ende Sportspezialisten entscheiden", so Wüst am Dienstagmorgen im WDR-2-Interview.
Wüst: NRW ist auf olympische Spiele "gut vorbereitet"
Das bevölkerungsreichste Bundesland sei mit seinen Sportstätten bereit, wobei es beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) liege, den Hut in den Ring zu werfen. Berlin hat ebenfalls Interesse an der Ausrichtung der Spiele bekundet. "Ich weiß jedenfalls, dass wir gut vorbereitet sind auf die Art Olympia, wie sie jetzt stattfinden soll", betonte Wüst.
Genau wie in Paris seien die meisten Sportanlagen bereits vorhanden, sagte Wüst und verwies beispielhaft auf die großen Stadien sowie die Weltreiterspiele in Aachen. Entscheidend sei, dass man nicht mehr "gigantische Dinge irgendwo hinstellt für Milliardensummen, die nachher keiner braucht". So ließe sich auch die notwendige Zustimmung in der Bevölkerung organisieren.
NRW-Sportler holen mehr als die Hälfte der deutschen Medaillen
Anlagen für Spiele in NRW zu bauen, scheint also nicht das Problem zu sein. Anders sieht es beim Schmieden der Talente aus, die den Heimvorteil in olympische Medaillen ummünzen sollen. In Paris bedeutete Platz zehn im Nationenvergleich das schlechteste Abschneiden der Deutschen seit 72 Jahren, 33 Medaillen stellen den Tiefstwert seit der Wiedervereinigung dar.
Mit der Beteiligung an 17, also an mehr als der Hälfte dieser Medaillen (bei den Spielen in Tokio waren es noch 14 von 37), kann sich das Abschneiden der NRW-Sportler sehen lassen. Spricht man mit Professor Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln, macht er allerdings wenig Hoffnung, dass Deutschland im Nationenvergleich bald wieder besser dasteht. Ziel des DOSB sind mittelfristig die Top 5.
Froböse beklagte am Dienstag im WDR abseits der "großen Spitzensportförderung" den Mangel bei der Sichtung von Talenten. Die Wertigkeit des Sports in der Gesellschaft habe "deutlich nachgelassen", was man in der Kita und in der Schule sehe: "Wenn wir dort eben nicht ansetzen, Sport von unten heraus zu fördern, dann fehlt uns das Fundament auch für den Spitzensport. Das ist das Grundproblem."
Froböse fordert tägliche Sportstunde in Kita und Schule
Der Sport sei im Bildungssystem "zu einem Nebenfach verkommen". "Wir wissen doch alle - was fällt am ehesten aus? Immer die Sportstunde, und das geht doch nicht", so Froböse. Dem Sportwissenschaftler geht es dabei nicht nur um die Entdeckung von Medaillenkandidaten für Olympia, sondern um die Gesundheit: "Unsere Gesellschaft wird ja nicht gesünder, sie wird eher kranker. Und das trifft insbesondere auch Kinder und Jugendliche."
Froböses Wunsch an die Kultusministerien der Länder ist klar: "Bildung so optimieren, dass Bewegung und Sport dort eine tägliche freie Stunde bekommen, und letztendlich aktiv zu werden - und das ab der Kita."
Bundesjugendspiele als Motivator
Die Schulen könnten einiges mehr leisten, meint auch Frank-Michael Rall vom Landessportbund NRW (LSB). "Es erfordert pädagogisches Einfühlungsvermögen, einem Kind aufzuzeigen, wie es sich im Sport und im Leben grundsätzlich entwickeln und verbessern kann." Die gezielte Vorbereitung auf die Bundesjugendspiele sei eine Möglichkeit, Kinder an den Leistungssport heranzuführen. "Wir müssen Kindern vermitteln, dass Niederlagen und Misserfolge Herausforderungen sind, die die Chance bieten, daraus zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen."
Aber um Deutschland künftig mehr Medaillen zu sichern, brauche es noch mehr Anstrengung, fordert Rall. "Deutschland braucht ein Art Konjunkturprogramm." Die bessere Integration des Sports in die Lehrpläne sei dabei nur ein Baustein. Zusätzlich brauche es mehr Vereine, die sich an der Basis im Leistungssport engagieren, mehr Trainer und Trainerinnen sowie Investitionen in Olympiastützpunkte zur Betreuung der viel versprechenden Athleten und Athletinnen.
Zwölf beziehungsweise 16 Jahre blieben noch, um olympische Spiele in NRW logistisch wie sportlich vorzubereiten, sollte die von Wüst gewünschte Bewerbung Realität werden und Erfolg haben. Mit Blick auf die Sportstätten augenscheinlich mehr als genug Zeit, aber die Optimierung eines Sportsystems, in dem Talente zuverlässig entdeckt und gefördert werden, könnte länger dauern. Die Ausrichtung von Olympischen Spielen allein wird da trotz Heimvorteil nicht reichen. So erklärte Weitsprung-Silbermedaillengewinnerin Malaika Mihambo im Interview mit der Zeitung "Die Welt": "Olympia kann nicht dieser Heilsbringer sein, der alles ändert."
Unsere Quellen:
- Gespräch mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst
- Gespräch mit Professor Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln
- Landesportbund NRW
- Nachrichtenagentur sid