In einigen Sportarten widersprechen sich feine Maßarbeit und rohe Kraft. Wenige Athletinnen und Athleten können oder müssen im Wettkampf beides vereinen - im Radsport hingegen sind die Top-Sprinter auf der Zielgeraden dazu gezwungen, wenn sie erfolgreich sein wollen. Einer dieser momentan erfolgreichen Top-Sprinter heißt Phil Bauhaus. Der Bocholter Radprofi ist der beste Sprinter des Teams Bahrain Victorious.
Das zeigte sich auch bei der Slowenien-Rundfahrt Mitte Juni. Vor der Zieleinfahrt der 2. Etappe brachte sich Bauhaus erst mit feiner Maßarbeit in Stellung und lauerte hinter Alberto Dainese. In diesem Pulk erwischte er den perfekten Moment für seine Attacke und zog kraftvoll noch an Dainese vorbei.
Bauhaus peilt ersten Tour-Etappensieg an
Auch bei der Tour de France hat Bauhaus schon eindrucksvoll gezeigt, dass er Maßarbeit und Kraft auf der Zielgeraden vereint. Bei seinem Debüt letztes Jahr landete er dreimal auf dem Podium, ein Etappensieg sprang allerdings nicht heraus. Dieses Jahr soll es nun klappen mit dem ersten Tageserfolg bei einer der drei großen Rundfahrten (Tour de France, Giro d'Italia, Vuelta d'Espana).
Im Gespräch mit dem WDR vor der am Samstag (29.06.2024) startenden Tour de France sagt Bauhaus: "Ich bin noch mal stärker geworden, habe fleißig trainiert, konnte mich weiterentwickeln." Es ist seine zweite Teilnahme beim "schwierigsten Rennen der Welt". Bauhaus kennt nun gewisse Abläufe und weiß, "wie hart die Rennen ausgefahren werden", weil bei allen Profis das Jahr auf die Frankreich-Rundfahrt ausgerichtet ist.
Der 29-Jährige betont: "Bei anderen Rennen sind viele auch in Topform, aber man hat hier und da Leute, die nicht bei 100 Prozent sind. Bei der Tour de France ist jeder in der bestmöglichsten Verfassung des Jahres. Der Druck für die Teams und Fahrer ist am höchsten, weil die Aufmerksamkeit für uns Radfahrer da auch am größten ist."
Etappensiege bei Tirreno-Adriatico und Slowenien-Rundfahrt
Bauhaus hat sich seine Kraft ebenfalls eingeteilt und alles auf die Tour ausgerichtet. Ihm gelang im März ein Etappensieg bei Tirreno-Adriatico (Italien), danach ging es im Mai zum Giro d'Italia, dann zur Slowenien-Rundfahrt, bei der er ebenfalls eine Etappe gewann.
Die Italien-Rundfahrt war für Bauhaus aber nur ein Leistungstest im Rahmen der Vorbereitung auf die Tour de France. Denn einen Tag nach seinem 3. Platz auf der 13. Etappe stieg der Bocholter Radprofi aus. Die ausstehenden acht Teilstücke würden dem Sprinter "nicht liegen", teilte der Rennstall bei X mit, "Phil wird sich auf seine bevorstehenden Rennen und Ziele konzentrieren".
Giro d'Italia dieses Jahr "sprinterfreundlich"
Der Ausstieg war auch so geplant, sagt Bauhaus im WDR-Gespräch: "Von vornherein war der Plan, bis zur 13. Etappe zu fahren, weil es sonst zu hart gewesen wäre, zu Ende zu fahren. Dann die Slowenien-Rundfahrt, dann die Tour. Da muss man bei Wettkampf- und Ruhephasen schauen, dass alles in der Balance ist."
2023 hatte Bauhaus den Giro gar nicht erst angetreten und gegenüber dem WDR unterstrichen: "Wenn ich den Giro gefahren wäre, wäre ich in ein Loch gefallen und mit einer schlechteren Form zur Tour de France gekommen."
Warum trat Bauhaus also dieses Jahr beim Giro an? Der Sprinter erklärt: "Der Giro war dieses Jahr sehr sprinterfreundlich. Da hat es Sinn gemacht zu fahren, weil ich mehr oder weniger der einzige Sprinter im Team bin, der auf dem Level Ergebnisse einfahren kann. Auch fürs Team sind die Ergebnisse wichtig, unabhängig von der Tour."
Bauhaus' Team jagt wohl Etappensiege
Bei der Tour hat Bauhaus' Team Bahrain Victorious nun "in keinem Bereich den besten Fahrer", wie der 29-Jährige bescheiden betont: "Wir hoffen natürlich auf eine ähnlich erfolgreiche Tour wie im letzten Jahr, was natürlich sehr schwer wird."
Dennoch ist selbstverständlich eine gewisse Qualität vorhanden. So werden der Tour-Debütant und neue Kapitän Santiago Buitrago (22 Jahre/Kolumbien), der auch um das Nachwuchs-Trikot kämpfen wird, Jack Haig (30/Australien) sowie in Person von Pello Bilbao (34/Spanien) der Sechstplatzierte des letzten Jahres drei Fahrer versuchen, im Gesamtklassement vorne mitzufahren.
"In jeder Etappe versuchen wir, das beste Ergebnis rauszufahren", fasst Bauhaus den Ansatz des Teams zusammen. Und auf den Flachetappen werden Bauhaus und sein Anfahrer Nikias Arndt natürlich angreifen. Schon bei der letzten Tour de France waren die befreundeten Radprofis auch Zimmergenossen. Nun tüfteln sie erneut gemeinsam an einem Coup bei der Frankreich-Rundfahrt.