Sie, heute 97 Jahre alt, ist eine der letzten lebenden Zeitzeuginnen der Euthanasieprozesse in den frühen Nachkriegsjahren, die im August vor 60 Jahren mit sieben Todesurteilen und sieben Freisprüchen endeten.
Sie handelte mutig im Krieg und im Prozess
Alice Ricciardi-von Platen sah sich heftiger Kritik ihrer Standeskollegen ausgesetzt, die kein Verständnis dafür hatten, dass sie am, wie sie sagten, Rache-Prozess der Amerikaner gegen die Deutschen mitzuwirken bereit war. Die Amerikaner verhielten sich überaus fair gegenüber den angeklagten Nazi-Mördern, erinnert sich die 97-Jährige.
Die Angeklagten saßen im Prozess wie tote Puppen
"Nun saßen diese 23 Angeklagten stumm vor uns mit völlig verschlossenen Mienen." Ihr Buch "Die Tötung Geisteskranker in Deutschland", vom Widerstandskämpfer Eugen Kogon 1948 im Verlag Frankfurter Hefte veröffentlicht, wurde bald eingestampft, weil sich damals dafür keine Leserschaft fand. Erst Anfang der 90er Jahre wurde es von interessierten Ärzten wiederentdeckt und neu veröffentlicht.
Sie wollte keine Menschen töten
Die Tochter eines Großgrundbesitzers aus Holstein, der in den 20er Jahren mit Sozialisten verkehrte, hatte sich an der Tötung Geisteskranker nicht beteiligen wollen und gab deshalb ihren Job als Ärztin in einer "Irrenanstalt" während der Nazizeit auf und arbeitete als Hausärztin auf dem Lande in Österreich. Heute lebt sie allein in einem Haus in der Toscana.
Redaktion: Mark vom Hofe