Gemeinsamer Westermann-Wallentin-Tipp

"Acqua Alta" von Isabelle Autissier

Stand: 23.02.2024, 16:03 Uhr

Die Autorin Isabelle Autissier war die erste Frau, die vor mehr als dreißig Jahren im Rahmen einer Regatta allein um die Welt segelte. Sie war zudem lange Jahre Präsidentin der größten Naturschutzorganisation der Welt, des WWF. Und sie ist eine Bestsellerautorin.

Acqua Alta ist das italienische Wort für Hochwasser. In Venedig bringt es Einwohner und Touristen regelmäßig in Gefahr. In ihrem neuen Roman geht Isabelle Autissier sehr viel weiter, lässt die Stadt komplett untergehen, zerstört von einer gigantischen Flutwelle.

Mit diesem Horrorszenario beginnt der Roman. Guido Malegatti, der Wirtschaftssenator der Stadt, ist einer der wenigen Überlebenden. Guido ist Bauunternehmer und Wirtschaftsrat in Venedig. Dass Venedig immer tiefer im Wasser versinkt, weiß er. Dass "Acqua Alta" die Stadt mehrmals im Jahr heftig überschwemmt, nimmt er hin. Auch die Millionen Touristen, die die Stadt besuchen und ihr schaden bringen.

Ebenso wie die großen Kreuzfahrtschiffe, die mit ihren riesigen Wasserbewegungen die Lagune unterhöhlen. Guido aber hat nur den wirtschaftlichen Erfolg im Sinn, möchte noch mehr Touristen in die Stadt bringen. Noch mehr bauen.

Die 17-jährige Tochter Lea schließt sich einer Umweltorganisation an, die Fakten benennt und voraussagt, dass es katastrophal enden wird, wenn die Stadtregierung so weitermacht. Lea kämpft gegen ihren Vater, der nichts ändern will.

"Acqua Alta" ist eine beeindruckende Mischung aus Sachbuch und Fiktion. Die Autorin schreibt entlang der Fakten, erzählt zum Beispiel von Moo.S. E. jenem gigantischen unterirdischen Sperrwerk, das in der Lagune tatsächlich gebaut wurde. Heftig umstritten, weil es, so sagen es die Wissenschaftler und Naturschützer, im wirklichen Ernstfall eine Sturmflut, die sich Richtung Venedig bewegt, nicht aufhalten wird.

Genau dieser reale Hintergrund macht die Geschichte lebendig und gespenstisch zugleich. Was dort beschrieben wird, könnte irgendwann wahr werden. Und irgendwann heißt nicht in hundert Jahren. Oder in 50. Irgendwann könnte bald sein. Beim nächsten Acqua Alta.

Eine Rezension von Christine Westermann und Andreas Wallentin

Literaturangaben:
Isabelle Autissier: Acqua Alta
Aus dem Französischen von Kristen Gleinig
mare Verlag, 2024
208 Seiten, 23 Euro