"Butu" - Afrofuturistisches Electropunk-Manifest von KOKOKO!

Stand: 10.07.2024, 09:00 Uhr

KOKOKO! brechen mit den Musik-Traditionen im Kongo. Auf ihrem zweiten Album "Butu” lassen sie sich vom Nachtleben Kinshasas inspirieren. Und kritisieren in allegorischen Texten die Politik in ihrer Heimat.

Von Adrian Nowak

Die Demokratische Republik Kongo ist ein Land mit einer reichen Musiktradition. Die Tanzmusik Soukous oder kongolesische Rumba wurden von virtuosen Tanzorchestern populär gemacht. Die romantischen Lieder von Papa Wemba gingen um die Welt. Die DRK ist aber auch ein Land mit vielen Problemen. Reich an Rohstoffen, aber geplagt von Korruption, Misswirtschaft und bewaffneten Konflikten. Erst im Mai kam es zu einem Putschversuch.

Macht aus der Not eine Tugend

In diesem Klima der politischen und wirtschaftlichen Instabilität entstand der Sound von KOKOKO! Die vier Musiker aus Kinshasa um Sänger Makara Bianko hatten zu Beginn ihrer Laufbahn kein Geld, um sich Instrumente zu kaufen. So bauten sie sich ihre Instrumente einfach selbst. Aus Plastikbehältern oder Flaschen, um darauf zu trommeln und Basstöne zu spielen. Auch Saiteninstrumente wurden im DIY-Verfahren entwickelt: KOKOKO! spannten Drähte über Holzbretter, am Ende befestigten sie Konservendosen als Resonanzkörper. 

Bei ihren Sessions war 2017 auch der französische Weltenbummler Débruit dabei. Der Beatbastler ist bekannt für experimentelle elektronische Sounds und hat auch schon Alben mit Musikschaffenden aus der Türkei oder dem Sudan produziert. Es erschienen die ersten Tracks von KOKOKO! und Débruit, 2019 schließlich das Album-Debut "Fongola". Die LP wurde auch außerhalb des Kongo ein Erfolg, Kritiker wie Gilles Peterson feierten die Band, ein Auftritt bei "Tiny Desk Concerts" trug zu ihrer internationalen Popularität bei.

Beliebt ist die Band auch wegen ihrer intensiven Liveshow. KOKOKO! spielen mit ihren technoiden Beats auch des Öfteren auf Festivals für elektronische Musik.

Wilder, lauter, düsterer

KOKOKO! sind auf dem zweiten Album "Butu" noch wagemutiger als auf dem gefeierten Debut "Fongola". Da gab es hin und wieder ruhige Momente, jetzt geht es meistens voll auf die zwölf. Die Beats sind rasant, die Instrumente am Anschlag, die Synthies von Débruit extra dirty, dazwischen Field Recordings: Straßenlärm und  Autohupen.

Der Sound von "Butu" ist nicht auf Hochglanz poliert, wie die derzeit sehr erfolgreichen Afrobeats aus Nigeria - die Musik ist verstörend, wild und treibend. In "Mokili" verarbeiten KOKOKO! das 90er Jahre Dance Genre Kwaito aus Südafrika, auch andere Songs arbeiten mit repetitiven Beats, einprägsamen Melodien und Call & Response Gesängen. Doch nicht alle Tracks haben einen geraden Four To The Floor-Beat. Songs wie "Kidoka" oder "Mokolo Likambu" arbeiten mit triolischen Rhythmen.

Die Texte singt die Crew auf Kikongo, Französisch, Lingala und Swahili. Inspiriert sind die Lyrics  vom schwierigen Leben im Kongo. Der Albumtitel "Butu" heißt "Die Nacht" auf Lingala.  Die Songs sind aber nicht explizit sozialkritisch, direkte Kritik an der Politik kann in der DRK sehr gefährlich sein. Die Lieder heißen übersetzt "Böses Herz" , "Die Nacht kommt", oder "Sie haben Angst".

Im Kern ist "Butu" aber ein ausgelassenes Party-Album von den Straßen Kinshasas. Ein afro-futuristisches Manifest mit Herz, Haltung und Hunger nach mehr.