Man könnte vermuten, dass Michael Kiwanuka einen gewissen Druck verspürt hat, als er sich an dieses Album gemacht hat. Nach seinem viel gefeierten Durchbruchsalbum "Love & Hate" und dem Nachfolger "Kiwanuka", für den er den renommierten Mercury Prize für das beste britische Album bekam, lag die Messlatte für "Small Changes" hoch. Doch andere Dinge spielten seit dem letzten Album von 2019 eine größere Rolle: Michael Kiwanuka ist Vater von zwei Kindern geworden, einem Sohn und einer Tochter, die ihm, wie er selbst sagt, "Flügel verleihen". Diese neue Leichtigkeit des großen Überdenkers Kiwanuka ist auch auf "Small Changes" zu hören.
Die großen Themen im Kleinen
Es sind wie immer die großen Themen im Kleinen, denen der Londoner sich widmet, wie Songtitel wie "Stay by My Side" oder "Live for Your Love" verraten. Der Opener und die erste Single "Floating Parade" handelt von Eskapismus, inspiriert von einer Parade an Menschen auf der Straße, die ganz gedankenversunken in ihrer Party sind. "Follow Your Dreams" klingt weniger positiv als der Titel vermuten lässt und beschäftigt sich mit Selbstzweifeln – ohne die Michael Kiwanuka leider anscheinend einfach nicht kann.
Retro-Produzenten
In Szene gesetzt wird "Small Changes" wieder von zwei anerkannt herausragenden Produzenten. Danger Mouse ist der Mann für Vintage Sound, bekannt durch seine Arbeiten für The Black Keys, Norah Jones und die Gorillaz oder für seine eigenen Bands Gnarls Barkley und Broken Bells. Inflo ist so etwas wie dessen zehn Jahre jüngerer Bruder im Geiste, er ist vor allem für sein Bandprojekt Sault bekannt, mit dem er vorrangig analogen Soul und Funk produziert, aber auch für seine Arbeiten mit Little Simz und Adele. Danger Mouse und Inflo zeichnen sich seit dem zweiten Album für die Produktion von Michael Kiwanuka verantwortlich, als der nach dem Singer/Songwriter-Debüt etwas mehr Edge in seinen Sound bringen wollte. "Love & Hate" wurde episch mit vielen Streicher-Arrangements, "Kiwanuka" teilweise sonnig psychedelisch.
Plattendigger
Der New Yorker Danger Mouse und der Londoner Inflo sind nicht nur Produzenten und Multi-Instrumentalisten, sondern auch begeisterte Plattendigger – und das schlägt sich indirekt auch auf "Small Changes" nieder. Einerseits sorgten beide mit zahlreichen mitgebrachten Platten aus den 60ern und 70ern für Inspiration, andererseits wirkt sich der Umgang mit Samples – den beide gewohnt sind, der aber bei Kiwanukas Alben nicht zum Tragen kommt – auch auf die luftige und manchmal bruchstückhafte Produktion aus. "Small Changes" klingt gewollt demoartig und roh, hat dabei aber deutlich weniger laute Momente als sein Vorgänger.
Das Ende einer Trilogie?
Die kontemplative Stimmung des Albums geht auf seinen Entstehungsprozess zurück, der sich auch im Albumtitel niederschlägt. Mit den "kleinen Veränderungen" meint Kiwanuka, dass seine beiden Freunde Danger Mouse und Inflo und er älter geworden seien und nicht mehr so viel Zeit im Studio miteinander hätten abhängen können – den alltäglichen Verpflichtungen geschuldet. Das hat ihn traurig gestimmt, was ihm wiederum Inspiration für das Album gegeben hat. Am Ende stimmte es Michael Kiwanuka dann doch versöhnlich, dass es für alle Veränderungen einen Grund gibt und er freundete sich mit dem Gedanken an, dass "Small Changes" vielleicht der passende Abschluss einer Trilogie sein könnte.
All-Star-Ensemble
Zu dem eingeschworenen Trio gesellten sich noch zwei legendäre Musiker, die abseits des Rampenlichts viel Ansehen genießen. Jimmy Jam stammt aus dem Umfeld von Prince und hat produziert für Michael und Janet Jackson, George Michael oder Aretha Franklin. Pino Palladino hat Bass gespielt für Elton John, Beyoncé oder D'Angelo. Auf zwei Songs sind die beiden dabei. "Lowdown (part i) " klingt wie ein verschollenes und wieder ausgegrabenes Jimi-Hendrix-Demo, "Rebel Soul" überraschend nach französischem Easy Listening à la Sebastien Tellier oder Air. Geradezu ein All-Star-Ensemble verbirgt sich also hinter "Small Changes", das aber voll und ganz ein Album von Michael Kiwanuka bleibt – auch wenn er es diesmal nicht nach sich selbst benannt hat.