Bombino: "Sahel"

"Sahel" – Der Tuareg-Botschafter und seine singende Gitarre

Stand: 18.09.2023, 00:01 Uhr

Der nigrische Sänger und Songwriter Bombino ist ein wichtiger Botschafter der Tuareg. Sein neues Album "Sahel" ist politisch und tanzbar zugleich. Bombino wird darin zur Stimme der Sahelzone.

Von Anna-Bianca Krause

Bombino: "Sahel" COSMO 18.09.2023 02:53 Min. Verfügbar bis 17.09.2024 COSMO

Omara Moctar, Künstlername Bombino, ist 1980 in Tidene, einem Tuareg-Camp in der Nähe von Agadez geboren, Gitarren-Koryphäe und der erste Artist aus Niger, der eine Grammy-Nominierung bekommen hat. Der Musiker wird immer wieder der "Jimi Hendrix aus Niger" genannt, doch der Einfluss des großen afrikanischen Blues-Meisters Ali Farka Touré auf seinen Gitarrenstil ist ebenso groß. Sein Künstlername Bombino stammt aus Teenagertagen, da spielte er bereits inder Band des Tuareg-Gitarristen Haja Bebe, und die Mitmusiker nannten ihn liebevoll "Bombino", in Anlehnung an das italienische Wort bambino für Kind, weil er der Jüngste war. Heute ist er der Star der Tuareg-Musik und ein Gitarrist der Sonderklasse.

Ein Volk, sechs Länder

Als Sänger und Songwriter ist der 43-jährige Bombino ein wichtiger Botschafter der Tuareg, die sich selbst Kel Tamashek nennen. Er sieht sein Songwriting als Waffe gegen das Verschwinden der Tuareg-Kultur und sich als Sprecher dieses Volkes, das über sechs Länder verteilt lebt. Mit dem Albumtitel "Sahel" (arabisches Wort für Küste oder Ufer der Wüste) benennt er die Sahelzone, die zwischen der nordafrikanischen Sahara-Wüste und der sich im Süden erstreckenden Trockensavanne liegt und damit auch zwischen Atlantik und Rotem Meer - und in der auch seine Heimat liegt. Es ist eine Botschaft an alle Tuareg, die in dieser geografischen Zone verstreut leben. Er will damit alle Tuareg-Völker vereinigen, die in Mali, Algerien, Libyen, Niger, Burkina Faso und Mauretanien inzwischen durch Ländergrenzen getrennt leben und dieselbe Sprache sprechen, nämlich das Tamashek.

Bombino singt vom Exil, das er selbst kennt, musste er doch schon als Zehnjähriger während der ersten großen Tuareg-Rebellion in Mali und Niger mit seiner Familie nach Algerien fliehen. Er umkreist die Frage, wo Heimat ist, wenn das traditionelle nomadische Leben nicht mehr möglich ist, spricht aber auch ganz biografisch von der unerwiderte Liebe eines jungen, mittellosen Musikers.

"Meine Gitarre ist mein Gedächtnis"

Bombino ist heute so ein Supergitarrist, der wie kein zweiter Riffs spielen kann, die so staubtrocken wie die Sahara sind und seine Gitarre eigentlich besser singen kann als er selbst. Seine Musikergeschichte begann im Exil in der algerischen Oase Tamanrasset. Dort ließen Verwandte, die zu Besuch kamen, eine Gitarre zurück, auf der Bombino anfing sich selbst das Spielen beizubringen. Da sein Vater nicht wollte, dass er Musiker wird, ist er deshalb einige Jahre später abgehauen und hat als Hirte in der Wüste in Algerien und Libyen gearbeitet, wo er genügend Zeit und Einsamkeit hatte, um Gitarre zu üben. Um sein Leben als Musiker voran zu treiben, spielte er anschließend bei traditionellen Festen und wurde im Grunde beim Auftritt während einer Hochzeit von einem Mitarbeiter des Labels Sublime Frequencies entdeckt.

"Meine Gitarre ist mein Ein und Alles. Sie ist mein Gedächtnis, meine andere Hälfte, meine Freundin, meine Frau sagt sogar, sie sei meine zweite Frau. Alle Erfahrungen, die ich gemacht habe, die guten und die schlechten, habe ich mit ihr gemacht“ Bombino

Plötzlich sesshaft

"Sahel" ist ein Pandemie-Album. Bombino, der aufgrund seiner Herkunft eigentlich ein nomadisches Leben führt und zudem ständig auf Tour ist, saß plötzlich für zwei Jahre in Niamey fest, der Hauptstadt von Niger, zuhause umgeben von seiner Familie. Ungewohnterweise hatte er viel Zeit über die eigene Lebenssituation, aber auch die aller anderen Tuareg nachzudenken. Daraus sind viele der Songs entstanden, manche andere wie "Si Chilan", das aus den 80iger Jahren stammt, es aber nie auf ein Album geschafft hatte, veränderten sich. Bombino singt im Songtext vom bewaffneten Tuareg-Aufstand in den Neunzigerjahren, bei dem die Tuareg nach Hungersnöten und Flüchtlingskrisen Autonomie forderten. Er singt gegen das Vergessen, aber auch gegen die Gewalt. Denn bei der 2. Großen Tuareg-Rebellion 2007 in Niger kämpfte er zuerst auf Seiten der Rebellen, flüchtete dann aber vor den Islamisten Banden nach Burkina Faso, während zwei seiner Mitmusiker umkamen. Heute möchte Bombino nur noch mit Songtexten und seinen Gitarrenriffs kämpfen.

Politisch aber tanzbar

"Sahel" hat Bombino in Cacablanca aufgenommen, unterstützt vom walisischen Produzenten David Wrench, der bekannt ist für seine Zusammenarbeit mit David Byrne, Frank Ocean, Caribou, The xx, Sampha, Arlo Parks und viele andere. Für Wrench ist der Gitarrist einer der besten Musiker, mit denen er je gearbeitet hat. Musikalisch kreuzt Bombino lässig Tuareg-Traditionen mit Rock und Blues und spielt wunderschöne, akustische und gefühlvolle Wüsten-Folk-Balladen. Er bleibt immer nahe am Desert-Blues, der traditionelle Instrumente wie Djembé oder Kalebasse mit E-Gitarren kombiniert. David Wrench hat jedoch dafür gesorgt, dass viel Raum für die einzelnen Sounds bleibt und alles weniger rau klingt.

Bombino singt mit seiner weichen, fast weiblichen Stimme, die sich wendig zwischen den Instrumenten bewegt. Und seine Gitarre singt schöner denn je. "Sahel“"ist ein großartiges Album, so politisch wie gefühlvoll und mit hohem Ohrwurmpotential. Bombino hat die Songs zwar lange vor dem Staatsstreich in Niger geschrieben und auch aufgenommen, aber einige der Texte könnten gerade erst als Reaktion auf den Militärputsch Ende Juli gelesen werden. Denn von einem ist er überzeugt: Das Militär hat die Lage in einem Land noch nie verbessert.