"Hadsel" - Ein Wintermärchen

Stand: 03.12.2023, 00:00 Uhr

Auf ihrer musikalischen Reiseroute ist die Global-Indie-Band im hohen Norden gelandet. Mit "Hadsel" legen Beirut nun ihr norwegisches Album vor. Inspiriert vor Ort von Kälte und Dunkelheit spendet es Wärme und Hoffnungsschimmer.

Von Marc Mühlenbrock

Beirut: "Hadsel" COSMO Album der Woche 04.12.2023 02:40 Min. Verfügbar bis 02.12.2024 COSMO

Am Anfang stand das Ende. Zach Condon konnte nicht mehr. Zum wiederholten Male musste seine Band Beirut 2019 eine Tour vorzeitig beenden, weil er erkrankt war, eine nicht enden wollende Atemwegsinfektion zehrte an ihm. Dazu plagten ihn Selbstzweifel - sein Körper scheint einfach nicht gemacht für die Strapazen on the road - und ein schlechtes Gewissen, seine Mitmusiker und seine Fans enttäuscht zu haben. Zach floh in die arktische Einöde zu den Fjorden im hohen Norden Norwegens, in eine einsame Hütte in der nun titelgebenden Gemeinde Hadsel.

Kälte und Dunkelheit in gut

Mit Beirut geht man bei jedem Album auf eine musikalische Entdeckungsreise. Zach Condons Teenager-Trips nach Osteuropa und Frankreich oder zuletzt seine Reise mit Anfang dreißig nach Italien haben jeweils die Musik auf den bisherigen fünf Beirut-Alben beeinflusst - samt Songs wie "Bratislava", "Nantes" oder "Gallipoli", die er nach den Orten benannt hat, die ihn inspiriert haben. Nach "Hadsel" ist Zach aber weniger wegen der Musik gegangen, sondern für eine komplette Erholung. So hoch am Polarkreis wird es am Tag nur knapp zwei Stunden hell. Die Nacht und der Winter strahlen seit jeher eine Ruhe aus für ihn, sagt er, der in der heißen Wüstenstadt Santa Fe in New Mexico aufgewachsen ist.

Auf zur Orgel

Noch vor der Ankunft in Hadsel änderte sich aber die Ausrichtung der Reise: Zach hatte erfahren, dass es in der Hütte, die er gemietet hatte, eine Orgel gibt. Noch dazu ist der Besitzer der Organist der örtlichen Kirche. Eine Zeichnung dieser Kirche ziert nun auch das Albumcover von "Hadsel". Die Aussicht, diese Kirchenorgel in seine Musik zu integrieren, war einfach zu verlockend. Zach nahm seine Aufnahmegeräte mit und freundete sich vor Ort mit jenem Organisten an. Hierbei half ihm seine Freundin, die ihn begleitet hat, und die fließend schwedisch spricht, genau wie viele Einwohner des eigentlich ja norwegischen Hadsel. Die majestätische Orgel wird auf dem Album interessanterweise immer wieder durch eine sanfte Ukulele (wie in "Island Life"), durch Zachs Stamminstrument die Trompete ("So Many Plans") und Latin-Beats von der Drum-Machine ("Baion") konterkariert.

Alles muss man selber machen

Zurück aus der Einöde Norwegens, angekommen in seiner Wahlheimat Berlin, musste der heute 37-Jährige feststellen, dass ihm noch einige Monate der Einöde mehr bevorstehen würden: Die Welt war mitten im Corona-Lockdown. Was die Arbeit an seinem Album anging, machte Zach aus der Not eine Tugend - und eine Reise zurück in die Vergangenheit: Wie auf weiten Teilen seines Debuts "Gulag Orkestar" spielte er "Hadsel" nun komplett allein ein, die Band Beirut wurde nun wieder zu einem Ein-Mann-Projekt. Dazu passt auch, dass Zach in den kontemplativen Stücken noch tiefer als sonst in sich selbst reinhorcht, die negativen Erfahrungen der letzten Tour verarbeitet und eine neue spirituelle Kraft gewinnt. Diese kann auch "Hadsel" entwickeln, das Album ist ein wunderschön wehmütiger Winter-Soundtrack.