Zwei Himmelstürmer begegnen sich: Don Juan, der imaginäre Frauenverführer, und Richard Strauss, der aufstrebende junge Komponist und Dirigent. Strauss steht am Anfang seiner Karriere. Durch sein Talent und seinen Ehrgeiz wird er es weit bringen, das sagt die Selbstgewissheit des 24-Jährigen. Die Frage ist allein: Wie die Karriereleiter möglichst rasant erklimmen? Im Jahr 1888 jedenfalls ist er mit seiner Position unzufrieden: Er hofft, "die drückende Stimmung eines 3. Kapellmeisters mit einem seinen Fähigkeiten besser entsprechenden Wirkungskreis zu vertauschen". Das ist die Seite des Dirigenten. Auf der Seite des Komponisten hat er etwas Ungewöhnliches im Köcher: eine Tondichtung, von der er weiß, dass er damit die Welt erobern kann. Strauss sieht in sich den Tondichter, der das sinfonische Problem der Zeit wird lösen können. Zunächst hatte er die Idee, die ehrwürdige Gattung Sinfonie mit Franz Liszts bahnbrechender Erfindung der sinfonischen Dichtung zu kombinieren. Ergebnis war im Jahr 1886 die 4-sätzige Programmsinfonie "Aus Italien". Zwei Jahre später hält er diesen Versuch für überholt: "Hinweg mit dem öden viersätzigen Formelwesen, dem seit der IX.ten kein neuer Inhalt mehr entsprossen ist [...]. Auch ich habe in der Sonaten Form zu schaffen begonnen, jetzt habe ich [...] mit ihr vollständig gebrochen u. habe in zwei großen sinfonischen Dichtungen: Macbeth u. Don Juan [...] mich ganz der Einsätzigkeit zugewandt".
Während die Form von "Macbeth" Strauss noch Mühe bereitet, ist die Komposition des "Don Juan" nahezu ein Durchmarsch. Der Himmelstürmer greift damit nach den Sternen. Die Tondichtung ist nichts weniger als ein genialischer Wurf, mit dem Strauss quasi über Nacht weltweit berühmt wird: überbordende Klangphantasie, gepaart mit innovativer und meisterlicher Instrumentationskunst. Als inhaltliche Vorlage diente ihm das dramatische Gedicht "Don Juan" von Nikolaus Lenau. Ausschnitte daraus stellt er seiner Partitur voran, beginnend mit den Worten: "Den Zauberkreis, den unermesslich weiten, von vielfach reizend schönen Weiblichkeiten möcht’ ich durchziehn im Sturme des Genusses, am Mund der Letzten sterben eines Kusses."
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