Eigentlich ist diese Suite nur ein kunstvoll zusammengesetztes Konglomerat aus Trümmern eines gescheiterten Experiments. Richard Strauss wollte zusammen mit seinem kongenialen Librettisten Hugo von Hofmannsthal eine neue Form für die Bühne entwickeln, eine Mischung aus Theater und Oper.
Sie hatten die Idee, Molières Komödie "Der Bürger als Edelmann" zu bearbeiten und mit Schauspielmusik zu versehen. Als Divertissement hängten sie eine tragische Oper an: "Ariadne auf Naxos". Als dieser Zwitter 1912 uraufgeführt wurde, war er dem Publikum mit über vier Stunden einfach zu langatmig. Strauss bedauerte dies noch 30 Jahre später: "Das eigentliche Schauspielpublikum kam nicht auf seine Kosten, das Opernpublikum wußte nicht viel mit dem Molière anzufangen. Der Intendant hatte an einem Abend Schauspiel- und Opernpersonal zugleich einzusetzen, und statt zwei guten Einnahmen nur eine."
Beide Teile wurden mehrfach bearbeitet und konnten nur getrennt überleben: "Ariadne" etablierte sich erfolgreich als Oper, dagegen fiel "Der Bürger als Edelmann" auf der Bühne auch als Einzelwerk durch. Aber der geschäftstüchtige Strauss war geübt darin, auch solche Werke noch auszuschlachten, indem er einzelne Nummern bearbeitete und zu einer Suite zusammenfügte.
Die Handlung der Komödie kann man auch hierin durchaus mitverfolgen, wie schon die einzelnen Satztitel verraten. Strauss bezieht sich aber nicht nur auf den Text von Molière, sondern auch auf die Ballettmusik, die dessen Freund Jean-Baptiste Lully zu der Komödie komponiert hatte. Den französischen Barockstil mit seinen schlanken Melodien und federnden Rhythmen integriert Strauss wie selbstverständlich in seine Komposition und würzt sie mit spätromantischer Melodik und Harmonik. Die für ihn typische, eigenwillig ausdifferenzierte Klangfarbe erreicht er durch eine fast kammermusikalische Besetzung. Es spielen nur knapp über 30 Musiker*innen, viele von ihnen übernehmen virtuose Solopartien. Unter ihnen ist auch ein Klavier – eine Reminiszenz an die Barockzeit, in der das Cembalo mit dem Generalbass das Fundament legte.
Eine komponierte Speisekarte
Im Mittelpunkt der Handlung steht der neureiche Monsieur Jourdain, ein Parvenü, der alles daransetzt, in adelige Kreise zu gelangen. Er schart Schneider und Tanzlehrer um sich, will seine Tochter durch Heirat zur Marquise machen und überhäuft eine angebetete Adelsdame mit Geschenken. In all seiner Aufgeblasenheit bemerkt er erst nach einem Familienkomplott, dass er selbst der Gefoppte ist. In feinsinniger Übertreibung zeichnet Strauss in der Ouvertüre die tölpelhafte Gestalt Jourdains nach, im anschließenden Menuett karikiert er das Unvermögen, einen solchen Tanz zu erlernen. Auch der Fechtmeister versucht vergeblich, seinem Schützling das täppische Imponiergehabe auszutreiben, was Posaune, Trompete und Klavier mit ihren Soli sehr anschaulich darstellen. Mit Augenzwinkern lässt Strauss im Schlusssatz eine komponierte Speisekarte mit einigen musikalischen Zitaten servieren: "Salmen vom Rhein" gibt es mit den Wellen aus Wagners "Rheingold", "Hammelkeule nach italienischer Weis" zu Schafsgeblöke aus seinem eigenen "Don Quixote", und beim Servieren der "Drosseln und Lerchen auf Salbei und Thymian" zwitschern die Vögel aus dem "Rosenkavalier".