Hinter jedem Musikwerk steckt eine Geschichte. Mal eine spektakuläre, mal eine unscheinbare. Ist eine Komposition aus innerem Drang entstanden? Ist sie angeregt durch einen äußeren Eindruck? Oder hat das phänomenale Spiel einer Musikerin oder eines Musikers den Komponisten inspiriert? So war es bei Peter Tschaikowsky und seiner "Sérénade mélancolique". Im Jahr 1874 schrieb der russische Komponist eine Rezension über ein Konzert des Geigers Leopold Auer. Tschaikowsky lobte den Ungarn für "die große Ausdruckskraft, die durchdachte Finesse und Poesie der Interpretation". Noch kannten sich die beiden nur ihrem Namen nach, da sie an unterschiedlichen Konservatorien unterrichteten: Tschaikowsky in Moskau, Auer in St. Petersburg. Aber schon im Januar 1875 machten sie persönliche Bekanntschaft, initiiert von Tschaikowskys Kollege Nikolaj Rubinstein. Und sofort schmiedeten sie Pläne. Zunächst einigten sie sich darauf, dass Tschaikowsky für Auer ein kleineres Werk für Violine und Orchester schreiben würde. Und schon einen Monat später war die "Sérénade mélancolique" vollendet, nahezu zeitgleich mit dem später so berühmten ersten Klavierkonzert. Sicherlich nicht zufällig stehen beide Werke in der eher seltenen Tonart b-Moll. Anfangs zögerte Auer jedoch, die "Sérénade" aufzuführen. Vermutlich erschien sie ihm einen Deut zu "mélancolique" und der Solopart nicht virtuos, nicht wirkungsvoll genug. Solist bei der Uraufführung im Januar 1876 war daher Adolph Brodsky, der wie Tschaikowsky am Moskauer Konservatorium unterrichtete.
Trotz Leopold Auers verhaltener Reaktion auf die Sérénade realisierte Tschaikowsky 1878 einen weiteren Plan für den Geiger: das Violinkonzert D-Dur. Davon aber war Auer noch weniger angetan, Teile des Soloparts erschienen ihm als wenig überzeugend – und so lehnte er es auch ab, das Konzert zu spielen. Wieder war es Adolph Brodsky, der ohne Zögern zugriff. Tschaikowsky zog daraus die Konsequenz und widmete das Konzert nicht Auer, sondern Brodsky. Auch die Widmung für die "Sérénade mélancolique" hat er dem ursprünglichen Widmungsträger entzogen, was sein Verleger dann in späteren Auflagen berücksichtigte.