Werkeinführung: Felix Mendelssohn Bartholdy - Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 107 "Reformationssinfonie"

Von Clemens Matuschek

Felix Mendelssohn-Bartholdy | Bildquelle: WDR/picture alliance/dpa

Felix Mendelssohn Bartholdys "Reformationssinfonie" bildet am heutigen Abend die Brücke zwischen der Sphäre der Romantik und Jörg Widmanns "Messe für großes Orchester". Denn beide Werke beziehen sich zwar auf christlich-liturgische Vorbilder, gehen aber recht frei mit ihnen um.Die Gretchenfrage nach der Religion wäre für Mendelssohn nicht ganz einfach zu beantworten gewesen, denn theologisch gesehen saß er zwischen den Stühlen. Er stammte aus einer angesehenen jüdischen Familie; sein Großvater Moses Mendelssohn war einer der wichtigsten Philosophen der Aufklärung gewesen, gut befreundet mit Lessing und Vorbild für dessen Figur "Nathan der Weise". Sein Vater war aus rein pragmatischen Gründen zum evangelischen Christentum konvertiert. Der Komponist selbst übernahm diesen Glauben voll und ganz, schrieb zahlreiche geistliche Chorwerke und entdeckte 1829 zudem Bachs "Matthäus-Passion" wieder.

Die "Reformationssinfonie" entstand im Folgejahr zum 300. Jahrestag der "Confessio Augustana". Dieses von Martin Luthers Mitstreiter Philipp Melanchthon formulierte protestantische Glaubensbekenntnis war 1530 beim Reichstag in Augsburg verlesen worden. Da die Jubiläumsfeierlichkeiten aus politischen Gründen ins Wasser fielen, wurde die Sinfonie allerdings erst nach Mendelssohns Tod gedruckt.

Religiöse Bezüge sind vor allem in ihren Ecksätzen zu finden. So beginnt die Einleitung des ersten Satzes mit einem Fugato über das gregorianische Magnificat und endet mit dem sogenannten "Dresdner Amen". Diese Tonfolge, die in der dortigen (katholischen!) Hofkirche erfunden wurde, bestimmt auch den folgenden, feurigen Hauptteil. Ziel- und Kernpunkt der Sinfonie sind die finalen Variationen über den damals wie heute populären Luther-Choral "Ein feste Burg ist unser Gott", von Heinrich Heine einmal als "Marseillaise der Reformation" bezeichnet. Seine Melodie stellt die Flöte zunächst recht schüchtern vor, bevor immer reichere Akkorde und raffiniertere Gegenstimmen hinzutreten. Zum Schluss walzt Mendelssohn sie in majestätisch langen Notenwerten aus.

Vorangestellt ist – neben einem Scherzo – ein kurzer langsamer Satz, der fast nur den Streichern vorbehalten ist. Jörg Widmann sieht darin "eine Art jüdisches Glaubensbekenntnis – und einen Zweifel. Nur so kann Mendelssohn umso affirmativer den Schlusssatz schreiben." Was wiederum auf seine eigenen Bedenken bei der Komposition seiner "Messe für großes Orchester" verweist.

Mehr zu Mendelssohn Bartholdys "Reformationssinfonie":

WDR 3 Werkbetrachtung: Felix Mendelssohns Reformations-Sinfonie WDR 3 TonArt 10.06.2017 18:03 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3