Gustav Mahler - Das Lied von der Erde nach Hans Bethges "Die chinesische Flöte" WDR Sinfonieorchester Video 06.12.2021 01:01:32 Std. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Werkeinführung: Gustav Mahler - Das Lied von der Erde

Von Otto Hagedorn

Gustav Mahler war getrieben von den Gegensätzen in seiner Persönlichkeit: Himmelstürmende Freude und herzzerreißende Trauer lagen bei ihm dicht beisammen. Das spiegelt sich nicht nur in seinen Werken, sondern auch in seinem äußeren Leben. Die Schmach etwa, 1907 seinen Direktorenposten an der Wiener Hofoper räumen zu müssen, korrespondiert mit seinem Aufbruch zu neuen Ufern als Dirigent der New Yorker Metropolitan Opera im Jahr 1908. Zwei Schicksalsschläge in derselben Zeit konnten jedoch keinen Ausgleich finden: Im Juli 1907 stirbt seine älteste Tochter mit nicht einmal fünf Jahren an Diphterie, und wenige Tage später erfährt er, dass er an einem angeborenen doppelseitigen Herzklappenfehler leidet. Mahler zieht sich in sich zurück, ahnt sein nahendes Ende. Im Juli 1908 schreibt er an seinen Vertrauten, den Dirigenten Bruno Walter: "Sollte ich wieder zu meinem Selbst den Weg finden, so muss ich mich den Schrecknissen der Einsamkeit überliefern. [...] Dass ich sterben muss, habe ich schon vorher auch gewusst."

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In dieser Phase von Verlassenheit entdeckt Mahler den 1907 erschienenen Gedichtband "Die chinesische Flöte" von Hans Bethge mit Nachdichtungen altchinesischer Lyrik. Darin findet er sich und seine Gefühle wieder, die Sehnsucht nach Frieden. So heißt es im Gedicht "Abschied": "Du, mein Freund, mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold! Wohin ich geh’? Ich geh’, ich wandre in die Berge. Ich suche Ruhe, Ruhe für mein einsam Herz!" Für die sechs Sätze seiner Komposition, die zwischen Sinfonie und großformatigem Liederzyklus changiert, wählt Mahler sieben dieser Gedichte aus und setzt sie zwischen Sommer 1908 und September 1909 in Musik. An Bruno Walter schreibt er: "Ich war sehr fleißig. […] Ich glaube, dass es wohl das Persönlichste ist, was ich bis jetzt gemacht habe." Wie persönlich, wird offenbar, als Mahler seinem Freund die Partitur schließlich zeigt. In Walters Erinnerung "schlug [Mahler] den 'Abschied' auf und sagte: 'Was glauben Sie? Ist das überhaupt zum Aushalten? Werden sich die Menschen nicht darnach umbringen?'" Trotz aller klanglichen Resignation und einem auskomponierten Entschwinden mischt sich doch Trost in diese Komposition – ein musikalisches Einswerden mit der Ewigkeit.

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