Unerschöpflich scheinen sie zu sein, die Quellen der Volksmusik Ungarns und Rumäniens. Von ihren ursprünglichen Klängen ließen sich auch "klassische" Komponisten gern inspirieren, sogar Joseph Haydn gehörte dazu. Aber es waren Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem Zoltán Kodály und Béla Bartók, die systematisch Volksmelodien sammelten, um sie kunstvoll in ihre Werke einzuarbeiten und zu reflektieren. Und auch der aus dem rumänischen Siebenbürgen stammende György Ligeti zeigte großes musikethnologisches Interesse.
In einem seiner frühen Werke, dem "Concert Românesc" für Orchester von 1951, zeigt sich dies geradezu exemplarisch, rhythmisch prägnant und mit viel Esprit. Eine ausführliche Erläuterung zur Notenausgabe aus dem Jahr 2000 verfasste Ligeti, fast 50 Jahre nach der Komposition, selbst: "1949/50 hielt ich mich in Rumänien auf, studierte am Folklore-Institut in Bukarest, dann nahm ich teil an mehreren Reisen zum Aufzeichnen von teils rumänischer, teil ungarischer Volksmusik (in Covasint, bei Arad und in Inaktelke im Kalotaszeg-Gebiet, nahe Klausenburg). Das vorliegende viersätzige Orchester-Konzert (mit Streicher- und Bläser-Soli) basiert auf einer Vielzahl rumänischer Volksmelodien, die ich aufgezeichnet habe, doch stammen sie überwiegend von Wachsrollen und Schallplatten aus dem Bukarester Folklore- Institut. In Covasint habe ich dagegen die gängigen harmonischen Wendungen der rumänischen Bauernmusik kennengelernt, die ich stilisiert im 'Konzert' verwendet habe. Diese Orchesterkomposition war eines der 'Camouflage-Stücke', als Ausweichen (1951) vor der aufoktroyierten 'Sozrel'-Diktatur [den allumfassenden Repressalien des kommunistischen Regimes, die auch die klassische Musik betrafen]. Obwohl einigermaßen konform, entpuppte sich das Stück als 'politically incorrect' infolge einiger verbotenen Dissonanzen (z. B. fis innerhalb von B-Dur). Für den heutigen Hörer ist es kaum nachvollziehbar, dass solche milden tonalen Scherze als staatsgefährdend deklariert wurden. Das 'Concert Românesc' spiegelt meine tiefe Liebe zur rumänischen Volksmusik und zur rumänischsprachigen Kultur schlechthin wider. Das Stück wurde sofort verboten und erst viele Jahrzehnte später aufgeführt."