Joseph Haydns letzte Sinfonie – Nr. 104 D-Dur – entstand 1795. Danach beschäftigte er sich vorwiegend mit Streichquartetten und Chorkompositionen, von denen die beiden Oratorien "Die Schöpfung" und "Die Jahreszeiten" sofort ungemein populär wurden, während die sechs Messen auf heftigsten Widerstand stießen. Von diesen Vertonungen des katholischen Ordinariums erlangte die "Missa in Tempore Belli" – unter dem Titel "Paukenmesse" – den größten, allerdings recht sonderbaren Ruhm.
Durch Verwendung der Pauke gestattete Haydn ein Vordringen der schnöden Weltlichkeit in die heiligste aller Künste, die Kirchenmusik. Die Sphären des Erhabenen seien ihm verschlossen, so die von protestantischer Seite geäußerte Kritik; wahre Frömmigkeit klinge anders. Ein renommierter Forscher behauptete noch Ende des 19. Jahrhunderts, der Orchesterpart dieser Messe verrate "mehr Eingebungen der komischen Oper und wohl auch des Tanzsaales als solche einer kirchlichen Phantasie". Richtig ist, dass sich in dem Werk nichts von pietistischer Zerknirschung findet. Die Sündhaftigkeit des Menschen wird nicht gegeißelt, sie steht – nach katholischem Verständnis – immer schon im Horizont der göttlichen Gnade. Weswegen auch bei Haydn der Jubel den Jammer übertönt.
Erst 1892 wagte es ein junger Wiener Musikwissenschaftler, die bis dahin widerspruchslos akzeptierten Vorurteile über Haydns Messen zu entlarven. Allerdings schossen auch die Bewunderer übers Ziel hinaus, als sie die Tonmalereien in der "Paukenmesse" leugneten. Sie sind durchaus vorhanden, wenn auch eher symbolischen als illustrativen Charakters. Der von Haydn gewählte Titel des C-Dur-Werkes lautet eben nicht Kriegs-Messe, sondern 'Messe in Kriegszeiten', womit ein viel weiterer Radius gezogen ist. Es geht, anders als in Haydns "Nelson-Messe" d-Moll von 1798, nicht um konkrete kriegerische Vorkommnisse; bestimmend sind vielmehr psychologische, visionäre Momente. Entstanden ist die "Missa in Tempore Belli" als Auftragswerk zum Namenstag der Fürstin Esterházy, und sie erklang erstmals im September 1796. Sie steht also keineswegs, wie so oft behauptet, in unmittelbarem Zusammenhang mit Bonapartes Vorrücken in die Steiermark – das erfolgte erst Monate später.