Werkeinführung: Antonín Dvořák - Sextett A-Dur op. 48 

Von Tilla Clüsserath

Für Johannes Brahms war klar: "Das Beste, was ein Musiker haben muss, hat Dvořák." Und so setzte er sich aktiv für den jüngeren Kollegen aus Prag ein. Auf Anraten von Brahms erhielt Dvořák das österreichische Staatsstipendium und der einflussreiche Verleger Simrock gab beim Tschechen die "Slawischen Tänze" für Klavier zu vier Händen in Auftrag. Nach Veröffentlichung brach ein Sturm auf die Musikhandlungen an und machte den bis dato im Ausland nahezu unbekannten Dvořák über Nacht berühmt. Dies lag am Tonfall böhmisch-mährischen Musizierens, den er einfach meisterlich beherrschte, ob unter Verwendung originaler Melodien oder aus eigener Erfindung. In dieser "böhmischen Phase" seines Komponierens (sogar im selben Jahr wie die "Slawischen Tänze" op. 45, 1878) schrieb Antonín Dvořák sein Streichsextett op. 48. Kein Geringerer als Joseph Joachim hob es mit seinem erweiterten Streichquartett ein Jahr später in Berlin aus der Taufe. Auch Brahms war begeistert: "Es ist unendlich schön. […] Diese herrliche Erfindung, Frische und Klangschönheit". Die Namen der Mittelsätze – Dumka und Furiant – weisen auf die von Dvořák verwendeten Volkslied-Formen hin. Diese erscheinen jedoch kompositorisch verfeinert, ohne dabei an ursprünglicher Natürlichkeit einzubüßen. Die Dumka, hier an Stelle des langsamen Satzes, stammt aus der Ukraine. Ihr Charakter ist von melancholischer Natur und findet ihren Niederschlag in der elegisch verträumten Wiege-Rhythmik des Tanzes. Ganz anders der darauffolgende "Furiant" (von lat. furians: begeisternd, rasend): ein schneller böhmischer Volkstanz, der sein Spiel mit Akzentverschiebungen treibt, und von Dvořák mit Temperament und vorwärtseilendem Elan aufgeladen wird. Im Finale führt Dvořák ein liedhaftes Thema durch fünf Variationen, die in einer furiosen Stretta gipfeln.