Seine 7. Sinfonie widmete Anton Bruckner dem "Märchenkönig" Ludwig II. – jenem bizarren Monarchen, der sich selbst am liebsten als Schwanenritter Lohengrin porträtieren ließ und Wagners hochfliegende Pläne finanzierte.
Bruckners Siebte steht aber in noch direkterer Verbindung zum Bayreuther "Meister". Der nicht gerade erfolgsverwöhnte Sinfoniker feierte mit diesem Werk seinen bislang größten Triumph, unterstützt von zwei Wagner-Dirigenten: von Arthur Nikisch, der im Dezember 1884 die Leipziger Uraufführung leitete, und Hermann Levi, der die Siebte wenige Monate später in München durchsetzte und sie "das bedeutendste Werk seit Beethovens Tod" nannte. Tags drauf besuchte Bruckner eine Aufführung der "Walküre" an der Münchner Hofoper, und Levi grüßte ihn danach mit der sogenannten "Trauermusik" aus dem Adagio seiner Sinfonie. Dass Levi gerade diese beiden Werke in ein Verhältnis setzte, war kein Zufall: Die "Todverkündigungsszene" aus der "Walküre" ist unverkennbares Vorbild für diese "Trauermusik" Bruckners, die als spontane Reaktion auf die Nachricht vom Tod Wagners entstand. Bruckner hatte gerade den Höhepunkt des Adagios komponiert, als er vom Ableben des Hochverehrten erfuhr. Den folgenden, ruhevollen Abgesang der Wagnertuben und Hörner schrieb er "zum Andenken meines unerreichbaren Ideales in jener so bitteren Trauerzeit".
Im Nachhinein deutete Bruckner den ganzen Satz als Vorahnung: "Einmal kam ich nach Hause und war sehr traurig; ich dachte mir, lange kann der Meister unmöglich mehr leben, da fiel mir das cis-Moll-Adagio ein." Solche Inspirationsästhetik verfolgte er bereits im ersten Satz, denn schon für dessen Hauptthema hatte er sich als Medium begriffen: "Eines Nachts erschien mir Dorn [ein Geiger und Freund Bruckners aus der Linzer Zeit] und diktierte mir das Thema, das ich sogleich aufschrieb: 'Pass auf, mit dem wirst du dein Glück machen!'". Der Künstler als Gefäß Gottes, als Mittler zwischen Tod und Leben – eine solch bescheidene, tiefreligiöse Selbstdarstellung wäre Wagner sicherlich fremd gewesen.
Trost und Erlösung
Bruckner lebte seinen katholischen Glauben in einer außerordentlichen Konsequenz. Im Stift St. Florian war er als Sängerknabe mit den kirchlichen Gepflogenheiten aufgewachsen, später diente er dort und dann am Linzer Dom als Organist mit einer solchen Devotheit, dass Johannes Brahms verächtlich kolportierte, Bruckner sei ein "armer, verrückter Mensch, den die Pfaffen von St. Florian auf dem Gewissen" haben. Den katholischen Moralkodex hatte Bruckner zutiefst verinnerlicht, die Rituale des Beichtens und Fastens legte er mit einer peinlichen Genauigkeit ab, ja er führte Buch über jeden Rosenkranz, jedes Ave Maria. Doch aus dem rigorosen Glauben zog er auch Kraft: "Unter Tausenden hat mich Gott begnadigt und dies Talent mir, gerade mir gegeben", bekannte er. Und, sich wieder vor seinem Schöpfer verantwortend: "Ich will aber weiterwirken, damit mich einst bei der grossen Abrechnung der liebe Gott nicht beim Schopfe nehmen und zu mir sagen kann: Lump, warum hast du dein Pfund nicht ausgenutzt, das ich dir einst gab?" Man hat Bruckners gewaltige Sinfonien mit der himmelsstrebenden Hoheit gotischer Kathedralen verglichen. Und die Herkunft des Komponisten von der Orgel ist auch in der Siebten mit ihren registerartigen Klangfarbenwechseln und Choralzitaten unüberhörbar. Doch dieser sakrale Raum wird hier erweitert um deutliche Wagner-Anklänge. Sie prägen die Harmonik, aber auch melodische Gesten. Zwei Beispiele aus dem ersten Satz: Dort reckt sich das weitgespannte erste Thema in den Hörnern und Celli empor wie in Wagners "Rheingold"-Vorspiel oder dem "Schwertmotiv" in der "Walküre". Das zweite Thema setzt dagegen ganz auf enge Intervalle. Oboen und Klarinetten stellen es vor mitsamt der sogenannten "Doppelschlagfigur", also der Umspielung des Zentraltons durch die obere und untere Nebennote. Wagner hat diese Figur oft in besonders ausdrucksstarken Momenten verwendet, etwa in der Melodie des Gebets in "Rienzi", Isoldes Liebestod oder dem "Erlösungsthema" am Schluss der "Götterdämmerung".
So bringt die Siebte beide Glaubenswelten Bruckners zusammen: das Fundament seiner streng katholischen Frömmigkeit, aber auch die mystische Erfahrung des Wagner’schen Klangtempels – einer Kunstreligion, die Trost und Erlösung verhieß.