Das Komponist:innen-Leben stellt man sich oft vor wie eine fortwährende Mischung aus Urlaub und konzentrierter Klausur. Einerseits deckt sich dies mit der Realität: Bekannt ist nicht nur für Johannes Brahms, dass er sich in Sommerrefugien zurückzog, um ungestört vom Wiener Stadttrubel der Inspiration freien Lauf zu lassen. Am Ende dieser intensiven Phase des Komponierens steht dann oft der Ertrag einer oder gar mehrerer Kompositionen. So auch beim zweitem Klavierkonzert, das er im Sommer 1881 im niederösterreichischen Pressbaum fertigstellte, nachdem er es im Jahr zuvor in Bad Ischl skizziert hatte. Üblicherweise vermerken Programmhefttexte dann noch den Weg zur Uraufführung, nämlich meist den ein oder anderen Brief an Freund:innen oder Verleger schon während der Entstehung, dann die Rückkehr aus der Sommerfrische und schließlich das erste öffentliche Präsentieren des neuen Werks. Im Wesentlichen ist dies auch beim zweiten Brahms-Konzert so. Seiner guten Freundin Elisabeth von Herzogenberg schrieb der Komponist in typisch ironischem Ton: "Vermelden will ich, dass ich ein ganz ein kleines Klavierkonzert geschrieben habe mit einem ganz einem kleinen zarten Scherzo." Das ist tatsächlich ungewöhnlich: Klavierkonzerte haben üblicherweise drei Sätze, und ein Scherzo taucht üblicherweise eher in Sinfonien auf.
Bei seinen Überlegungen, wie und wo er das Konzert erstmals öffentlich spielen könnte, kommt Brahms ein Angebot Hans von Bülow äußerst gelegen. Der Pianist und Dirigent war im Jahr zuvor Hofmusikintendant in Meiningen geworden, wo es ein phänomenales Orchester gab. Brahms spielte das neue Konzert dort intensiv mit Bülow und seinen Musikern durch und konnte so direkt viele Passagen korrigieren. Für die Uraufführung war allerdings Budapest vorgesehen, und was sich an diesen 9. November 1881 anschloss, relativiert das Bild vom einsamen Schreibtischleben des Komponisten Brahms. Bis Ende Januar reiste er quer durch Nordeuropa und spielte das Konzert als Solist insgesamt 14 Mal, darunter in Zürich, Straßburg, Breslau, Berlin, Hamburg und Amsterdam – bei den damals langen und unbequemen Reisewegen eine kräftezehrende Strapaze.