Johannes Brahms - Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98 WDR Sinfonieorchester Video 16.05.2014 40:46 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Werkeinführung: Johannes Brahms - Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98

Von Otto Hagedorn

Johannes Brahms gilt als der detailbesessene Konstrukteur unter den Komponist:innen der Romantik. Zwar fielen ihm auch traumhaft schöne Melodien ein – man denke nur an das fast volksliedhafte Wiegenlied "Guten Abend, gut’ Nacht" –, aber er interessierte sich ganz besonders dafür, aus kleinen Motiven ganze Werke entstehen zu lassen. Dieses Prinzip hielt er besonders bei der Sinfonie für angemessen, der musikalischen Königsdisziplin seit Beethoven. Mit Spannung erwartete Brahms’ musikalisches und persönliches Umfeld die 4. Sinfonie, für deren Entstehung er sich in den Sommermonaten 1884/85 viel Zeit ließ. Der Anfang-50-Jährige ahnte schon, dass er dem Publikum damit eine ungewohnte Nuss zum Knacken gab. Denn an Hans von Bülow schrieb er, seine Vierte "schmeckt nach dem hiesigen Klima – die Kirschen hier werden nicht süß".

Und tatsächlich: Nachdem Brahms seine neue Sinfonie vorgestellt hat, macht sich im Freundeskreis Ratlosigkeit breit. Elisabeth von Herzogenberg schreibt einen ausführlichen Brief über ihre Eindrücke, den sie vorerst nicht abzuschicken wagt. Denn sie formuliert darin ihre Befürchtung: "Es ist mir, als wenn eben diese Schöpfung zu sehr auf das Auge des Mikroskopikers berechnet wäre, als wenn nicht für jeden einfachen Liebhaber die Schönheiten alle offen dalägen, und als wäre es eine kleine Welt für die Klugen und Wissenden". Nach der Uraufführung im Oktober 1885 in Meiningen macht denn auch prompt ein sarkastischer Text in Wien die Runde, der auf die Anfangstakte gesungen wurde: "Es fiel ihm wieder mal nichts ein". Welch ein eklatantes Missverständnis! Mit "nichts" ist hier gemeint: keine gescheite Melodie. Dabei hatte Brahms spätestens im dritten Satz seiner vorangegangenen 3. Sinfonie den Beweis erbracht, dass er ein Melodien-Erfinder von Gnaden war. Der Anfang der Vierten jedoch erschien den Zeitgenoss:innen allzu abstrakt. Heute, 140 Jahre nach dem Entstehen, macht die Poesie gerade dieses Beginns, der Freudentaumel des dritten Satzes und die Feierlichkeit des Finales Brahms’ Vierte zu einer der beliebtesten Sinfonien überhaupt.

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