Werkeinführung: Johannes Brahms - Konzert Nr. 1 d-Moll für Klavier und Orchester op. 15

Von Otto Hagedorn

Düsseldorf im Jahr 1853. Bei Robert und Clara Schumann hat sich ein 20-jähriger Besucher angesagt, der ihnen am Klavier einige seiner Kompositionen vorspielt. Die Schumanns sind begeistert, ja euphorisch aufgrund seines überragenden Talents. Sein Name: Johannes Brahms. Wenig später veröffentlicht Robert Schumann einen seiner heute bekanntesten Texte in der von ihm herausgegebenen "Neuen Zeitschrift für Musik". Er singt darin ein Hohelied auf diesen jungen Kollegen: "Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten."

Was mehr als gut gemeint ist, legt die Latte für den jungen, ohnehin äußerst selbstkritischen Brahms so hoch, dass er sich in den folgenden Jahren an diesen Erwartungen mühsam abarbeiten wird. Im Jahr nach dem denkwürdigen Kennenlernen macht Brahms sich an die Komposition einer Sonate für zwei Klaviere. Aber sein Ausdruckswille scheint größer, als es in dieser Besetzung möglich ist. Dem Geiger Joseph Joachim berichtet Brahms: "Ich habe die drei ersten Sätze oft mit Frau Schumann gespielt. Eigentlich genügen mir nicht einmal zwei Klaviere." Und so wagt der mittlerweile 21-Jährige, kühn nach den Sternen zu greifen und beginnt, die Sonate in eine Sinfonie umzuarbeiten. Schon Ende des Jahres kann er an Joachim die Partitur des ersten Satzes senden. Aber er bleibt unzufrieden. Irgendwie widersetzt sich die für Klavier konzipierte Musik, in ein reines Orchesterwerk umgeformt zu werden. Da kommt, nächtlich im Traume, die rettende Idee. Anfang 1855 schreibt Brahms an Clara Schumann: "Denken Sie, was ich die Nacht träumte: Ich hätte meine verunglückte Sinfonie zu einem Klavierkonzert benutzt und spielte dieses. Vom ersten Satz und Scherzo und ein Finale, furchtbar schwer und groß. Ich war ganz begeistert." Tatsächlich arbeitet er das Werk über einen Zeitraum von zwei Jahren zu seinem ersten Klavierkonzert um. "Schwer und groß" – das trifft diese Musik punktgenau. Ein solch klanggewaltiges Klavierkonzert hatte es bis dahin nicht gegeben. Bei der Uraufführung in Hannover im Januar 1859 zollt das Publikum dem jungen Meister denn auch den gebührenden Respekt.

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Eine schwere Geburt - Brahms 1. Klavierkonzert d-Moll WDR 3 Meisterstücke 23.10.2022 13:09 Min. Verfügbar bis 20.10.2032 WDR 3

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