Beginnen wir mit einer einfachen Frage. Was bedeutet Ihnen Musik?
Musik ist ein ungeheuer großer Teil dessen, was ich bin und was mich definiert. Die Musik gibt mir – neben der Sprache – die Möglichkeit, mit anderen zu kommunizieren und Emotionen auszudrücken. Das ist die einfache Antwort.
Und die schwierige?
Liegt im Wesen der Sache selbst. Sobald ich den Weg über die Musik wähle, ist das Erlebnis für die Zuhörerschaft extrem vielschichtig und komplex. Fast automatisch entstehen weitere Ebenen.
Die neurologische Forschung spricht von einem direkten Zusammenhang zwischen musikalischer Kommunikation und Spiritualität.
Musik erweitert unser Bewusstsein wie keine andere Kunst. Das kann man durchaus als etwas Spirituelles auffassen. Oder sagen wir es anders: Musik verbindet uns in den besten Momenten sogar mit dem Universum.
Und doch stehen Sie am Pult und sind dort ziemlich allein.
Keineswegs. Das Aufführen von Musik ist für mich immer ein unmittelbares Miteinander von Publikum, Musiker*innen sowie Dirigent*in. Meine Aufgabe ist es, dem Orchester zu ermöglichen, Musik in ihrer einfachsten Form, in ihrem ursprünglichsten Wesen zu vermitteln. Mir kommt es darauf an, die existentiellen Fragen, die Komponist*innen aller Generationen gestellt haben, aufzuzeigen. Wir Künstler*innen fungieren als Mittler zwischen den Werken und den Erfahrungen des Publikums. Insofern bin ich immer in allerbester Gesellschaft und nicht allein.
Werfen wir einen Blick nach vorn und auf die neue Saison. Gustav Mahler wird Teil Ihres Neuanfangs sein.
Beim Start in meine erste Saison nehmen das WDR Sinfonieorchester und ich unsere Zuhörer*innen mit auf eine Reise, die uns alle Höhen und Tiefen unserer Existenz erleben lässt. Meine Aufgabe in meinem Antrittskonzert ist es, dem Publikum die emotionalen und geistigen Gefühlswelten Gustav Mahlers erlebbar zu machen. Ich bin mir sicher, dass sich die Konzertbesucher*innen an vielen Stellen in den Werken Mahlers wiederfinden. Ich muss einen Weg finden, damit die Vielfalt dieser Gefühlswelten dem Publikum deutlich wird.
Und die Kommunikation geht in beide Richtungen.
Absolut. Wenn Musik Emotionen weckt und das Publikum diese spiegelt, entsteht immer etwas Größeres.