Mitreden, mitentscheiden: Tesniem Al Sebahy bedeutet es viel, dass sie wählen darf. Ende Mai ist die Schülerin 16 Jahre alt geworden. Sie ist froh, dass das Wahlalter gesenkt wurde. „Als Jugendliche sind wir immer auf der Mute-Taste, einfach stumm geschaltet“, sagt die Bielefelderin. „Jetzt haben wir endlich die Möglichkeit, unsere Stimme zu nutzen.“ Und das macht Tesniem auch.
Auf dem Weg zur Wahlurne
Am frühen Sonntagnachmittag macht sich die 16-Jährige auf den Weg zum Wahllokal in einer Grundschule im Bielefelder Süden. „Es ist meine erste Wahl, die möchte ich live vor Ort erleben und sehen, wie alles funktioniert.“
Zwar haben sie das auch im Unterricht besprochen. Aber Wahlatmosphäre zu schnuppern und dabei zu sein, ist doch etwas anderes. Und es gibt noch einen Grund, warum sie keine Briefwahl macht. Mit ihrer Anwesenheit will Tesniem zeigen: Junge Leute gehen wählen.
Parteiprogramme und Wahl-O-Mat genutzt
An der Grundschule herrscht ein Kommen und Gehen. Das sei schon den ganzen Tag so, sagt ein Wahlhelfer. Neugierig - und ein bisschen aufgeregt - betritt Tesniem Al Sebahy den Wahlraum und muss nicht lange warten. Wahlbenachrichtigung und Personalausweis vorzeigen, weiter geht's.
Mit dem Stimmzettel verschwindet sie hinter der Wahlkabine. Das Kreuz ist schnell gemacht, doch wo sie es setzt, hat sich Tesniem vorher lange überlegt. „Ich habe mich informiert, den Wahl-O-Mat genutzt, mir Parteiprogramme angeschaut, andere Meinungen gehört und mir dann selbst eine Meinung gebildet.“
Demokratie ist auch anstrengend
Gar nicht so einfach sei das gewesen, sagt die junge Frau, die in Deutschland geboren ist. Ihre Eltern stammen aus dem Irak. Welche Partei vertritt am ehesten meine Interessen? Diese Frage habe ihr bei der Entscheidung geholfen.
Soziale Gerechtigkeit, Frieden, kein Rassismus sind Themen, die ihr besonders wichtig sind. Ihr ist klar, dass es keine hundertprozentige Übereinstimmung mit ihren Wünschen geben kann. „Auch wenn wir Schülersprecher wählen, ist das nicht so“, sagt die Jugendliche, die sich selbst in der Schülervertretung engagiert.
Engagiert und politisch interessiert
Dass 16- und 17-Jährige nicht „reif“ seien, um Wahlentscheidungen zu treffen, findet sie überhaupt nicht. „Ich kenne so viele Jugendliche, die genau das Gegenteil beweisen. Die sind sehr engagiert und politisch interessiert.“ Vor allem aber können so viele ältere Menschen wählen und Weichen stellen. „Aber es geht um unsere Zukunft. Darum ist es wichtig, dass unsere Stimme einbezogen wird.“
Hohe Wahlbeteiligung
Allein in Bielefeld sind 5.370 junge Leute im Alter von 16 und 17 Jahren wahlberechtigt, in ganz NRW sind es rund 300.000. Tesniem hofft, dass möglichst viele ihr Wahlrecht genutzt haben. Sie selbst jedenfalls geht mit einem Gefühl nach Hause. Europa ist ihr wichtig. "Wir haben in den Ländern ähnliche Werte, sind miteinander verbunden", sagt die Zehntklässlerin, die nach den Sommerferien die Schule wechselt und ein Wirtschaftsabitur machen möchte, mit Schwerpunkt Europa.
Am Abend verfolgt die 16-Jährige im Internet die ersten Hochrechnungen und Ergebnisse. "Dass mehr Leute als vor fünf Jahren wählen gegangen sind, ist schon mal gut." Kritisch sieht sie, dass eine rechte Partei auf Platz 2 liegt.
Quelle:
WDR-Reporterin