Ein Kumpel-Tag mit Andy

Stand: 29.06.2021, 11:09 Uhr

Der Abbausteiger Andreas Schreiter wartet abfahrbereit im Bergwerk Prosper Haniel. Im weißen Arbeitsanzug, mit Helm, Geleucht am Helm, Schutzbrille. Er nimmt Dich mit an seinen Arbeitsplatz in 1.200 Meter Tiefe.

In der Waschkaue: Umziehen für die Schicht

Der Abbausteiger der Zeche Prosper-Haniel ist in der Waschkaue, der engen Umkleidekabine. Hier zieht er die weiße Arbeitskleidung an, den Helm, die Schutzbrille, Knieschoner und Arbeitsschuhe.

"Als ich damals in der Lehre meine erste Schicht unter Tage verfahren habe, haben uns unsere Ausbilder darauf vorbereitet. Wir haben dann unsere CO-Filter bekommen, unseren Lampenriemen und unsere restliche Schutzkleidung. Dann sind wir angefahren in einen Streckenvortrieb."

In der Lampenstube: Hier gibt es das Geleucht und den CO-Filter

Andy nimmt sich in der Lampenstube seine Lampen mit Batterie und einen CO-Filter. Die Batterien sind wie in einem Bücherregal in einer langen Reihe, dicht an dicht, links und rechts einsortiert. Der Filter ist überlebenswichtig, wenn es zu einem Grubenunfall kommt.

"Dort hab ich dann zum ersten Mal gesehen, wie es richtig unter Tage ist. Es war wahnsinnig laut, irre heiß, sehr staubig. Und ich habe mir gesagt: Das halte ich nicht eine Woche aus. Und nun bin ich schon 28 Jahre da."

Im Förderkorb geht es abwärts zur Sohle

Andy steht eng mit seinen Kumpels zusammen im Förderkorb. Das Gittertor wird geschlossen. Es geht abwärts zur Sohle. "Ich bin der Andreas Schreiter, komme aus Bottrop, arbeite auf dem Bergwerk Prosper-Haniel als Abbausteiger", erzählt er.

Unten auf der Sohle: der Bergbau ist eine Männerwelt

Unten auf der Sohle angekommen, fährt die "Dieselkatze" an Andy vorbei. Das ist eine Hängebahn, wie die Wuppertaler Schwebebahn. Nur viel kleiner. Jeder Kumpel sitzt auf einem Platz. Alle hintereinander. So geht es voran zum Streb, Andys Arbeitsplatz: "Als Bergmann arbeitet man in einer Welt, wo sonst kein Mensch rein kommt. Das ist natürlich eine eigene Welt, wo nur Männer sind. Dort hat man seinen eigenen Humor", sagt er.

Im Stollen angekommen

Andy ist an seinem Arbeitsplatz angekommen. Ein langer, hoher und breiter Stollen, halbrund führt weiter zum Streb. Zu Fuß. "Ja, wenn ich heute an das Ende 2018 denke, dass es dann kein Bergbau mehr gibt, da blick ich heute schon mit Wehmut drauf zu. Bis dahin bin ich auch 30 Jahre Bergmann. Ich werde viele Kollegen vermissen, es wird mir vieles fehlen, was man so alles hatte an Kameraden und Kollegen. Und ich geh mal davon aus, dass dann an dem Tag X bei mir die Augen auch nicht trocken bleiben werden."

Am Streb bedient Andy an einem Schaltpult einen riesigen Schrämmlader. Der reißt und schrammt aus dem Kohleflöz die Kohle-Brocken heraus. Von links nach rechts. Die Kohle fällt auf ein Transportband. Einsatzanzeige Hobelmotor Hauptantrieb und Hilfsantrieb, Kühlwasseranzeige, tönt es aus dem Funkgerät. "Ja, verstanden. Danke", erwidert der Abbausteiger.

Im Stollen wacht die Heilige Barbara über die Bergleute

Zwischen zwei Stollen ist eine Statue der Heiligen Barbara aufgestellt. Hier kommen die Bergleute alle vorbei. Und hoffen, dass kein Unfall passiert. "Und hier haben wir auch unsere Heilige Barbara hängen. So, wie auf jeder Sohle. Die Schutzpatronin aller Bergleute. Und ich hoffe, dass sie mich weiter bis zum Schluss beschützen wird und meine Kollegen. Glück auf!", erzählt Andreas Schreiter.

Mit dem Förderkorb zurück nach oben in den Feierabend

Nach Schicht geht es zurück zum Förderkorb. Mit einer Eisenbahn. Im engen Abteil sitzen die Kumpel geduckt nebeneinander. "Man hat gelernt, weil es natürlich ein sehr schwieriger, komplizierter Beruf ist, auf andere Leute einzugehen. Man ist dort nicht alleine, man ist immer ein Wir. Weil man natürlich in einem Raum arbeiten muss und man muss natürlich auf die Sicherheit von den anderen achten. So, wie ich dann auch erwarte, dass die auf die Sicherheit für mich achten."

Andy bereitet sich vor, auf das Transportband zu springen. Das schnelle Band bringt die Kumpel schnell zum Arbeitsplatz und zurück. Man läuft schnell los, lässt sich ganz schnell nach vorne fallen und liegt dann auf dem Band. Weiter geht’s bis zum Haltepunkt. "Ich hatte zum Beispiel einen Kumpel, mit dem war ich über zwanzig Jahre zusammen und ich sag mal, ich hab ihn mehr gesehen als meine Familie. Wir waren immer für einander da."

Verabschiedung im Leitstand

In einem Raum über Tage, der Steigerstube, laufen wichtige Informationen zusammen. An Bildschirmen überwachen Ingenieure und Sicherheitskräfte den laufenden Betrieb. "Alles klar, Günter. Dann bis später, ciao!", sagt Andreas Schreiter und fügt an: "Die wollen einen Schießmann bestellen für morgen. Ja, der Betonriegel ist zu breit geworden. Ja. Und Hobelmotor… "Da ist Schluss", sagt sein Kollege und Andy antwortet: "Da kündigt sich was an, eventuell Motorwechsel."

Zu Hause: Im Reihenhaus wird mit heimischer Kohle geheizt

Andy betritt seinen Heizungskeller. Er geht zu seiner Hightech-Kohle-Heizung: "Ja, wir stehen jetzt hier im Heizungskeller. Dort befindet sich unsere neue Kohlenheizung, die ich vor circa einem halben Jahr eingebaut habe. Damit beheizen wir hier das ganze Haus. Und wir verheizen noch heimisch geförderte Kohle. Nach der heimischen Kohle muss ich mir natürlich irgendwo was einfallen lassen, wie ich entweder weiter an Kohle komme oder dieses Haus umrüsten auf Pellets."

Erinnerungsstücke in der Wohnung

Zurück in der Wohnung. Andy hat sich umgezogen. Vor einem Schrank zeigt er ein besonderes Outfit und einen Gegenstand, der ihm sehr viel bedeutet: "Dies ist unsere Ehrengardenuniform, die wir zu bestimmten Anlässen tragen. Beerdigungen, Feierlichkeiten oder um das Bergwerk außerhalb bei bestimmten Anlässen zu präsentieren. Und das ist mein erster Kohlebrocken, den ich 1991 nach der Lehre selbst gewonnen habe. Wenn die Förderung Ende des Jahres beziehungsweise Ende 2018 eingestellt wird, dann werde ich meinen letzten selbst gewonnenen Kohlebrocken dort neben legen."