West-Importe Manuela & Drafi
Für eine Überraschung sorgt der Blick auf die Liste der Interpreten, denn nach mehrjähriger Pause sind diesmal auch wieder zwei Sänger aus der Bundesrepublik dabei. Es handelt sich um Manuela und Drafi Deutscher, die zu den populärsten Schlagerstars gehören, die der westdeutsche Musikmarkt damals zu bieten hat. Beide stehen bei der Teldec unter Vertrag, und ihre auf der vorliegenden LP enthaltenen Titel wurden von Christian Bruhn komponiert.
Doch auch das "ostzonale" Star-Ensemble kann sich sehen bzw. hören lassen: Bärbel Wachholz, Helga Brauer, Tina Brix, Christian Schafrik, Michael Heymann und Frank Schöbel präsentieren ihre 1965er Hits. Besondere Aufmerksamkeit wird den beiden Schlager-Neulingen Karin Prohaska und Robby Lind zuteil, die mit jeweils zwei Aufnahmen vertreten sind.
Schlager als Bindeglied zwischen Ost und West
Betrachtet man das Schlager-Angebot etwas genauer, stellt man fest, dass viele Titel damals im Original oder als Coverversion in beiden Teilen Deutschlands veröffentlicht wurden. So machte Marika Kilius aus dem Ost-Erfolg von Michael Heymann einen West-Hit, während ein ostdeutscher Karin-Prohaska-Titel im Westen von der Engländerin Helen Shapiro nachgesungen wurde. Umgekehrt stellten Helga Brauer und Gipsy dem DDR-Publikum zwei Melodien der Baden-Badener Schlagerfestspiele vor.
Aber auch von internationalen Erfolgstiteln wie den Instrumentalnummern "Letkiss" aus Skandinavien oder "Il Silenzio" aus Italien gab es hüben wie drüben eigene Versionen. Der amerikanische Klassiker "Tennessee-Waltz" und die altbekannte italienische Weise "Mama" wurden zunächst bei uns mit Alma Cogan bzw. Margot Eskens neu produziert. Der VEB brachte daraufhin Nachzieher mit Bert Hendrix bzw. Bärbel Wachholz auf den Markt.
Englische Wörter noch erlaubt
Wie man an der Aufnahme von Christian Schafrik mit der Titelzeile "Take it easy" erkennt, sind 1965 in der DDR noch englische Formulierungen erlaubt. So besingt Frank Schöbel die Träume von "Teenagern", und bei Karin Prohaska heißt es "Oh Boy, oh Boy, wie ich mich freu". Derartige Zugeständnisse an westliche Trends gab es bis Ende 1965. Dann änderte sich die Kulturpolitik, weil sich Walter Ulbricht strikt gegen das "Je, je, je und wie das alles heißt" aussprach.
60er-Szene unter der Lupe
Wie schon bei den Vorgängern zeigt das Cover der Plattenhülle ein typisches Amiga-Express-Motiv: Fröhlich musizierende Menschen auf einem Bahnsteig. Originell daran ist in diesem Fall, dass sich die Musikanten in Badekostümen von anno dazumal präsentieren. Um zu erfahren, dass sich diesmal auch zwei Westaufnahmen im Angebot befinden, muss man die Plattenhülle umdrehen, da auf der Vorderseite wie üblich die Interpretenangabe bei den Titeln fehlt.
Mit dem "Amiga-Express 1965" stellt die Schallplattenbar ein weiteres hochinteressantes Ton-Dokument vor und nimmt damit die deutsch-deutsche Musikszene der Sechziger Jahre mal etwas genauer unter die Lupe. Dabei zeigt sich, dass Ost und West trotz der Mauer durch den Schlager in gewisser Weise miteinander verbunden waren.
Da viele der auf dieser Langspielplatte enthaltenen Spitzenschlager von 1965 mittlerweile zu Evergreens wurden, bot sich den Hörern von WDR 4 die Möglichkeit, einige alte Hits mal in einer anderen Version zu hören - am Sonntag (23.05.2010) in der WDR 4 Schallplattenbar.
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Bis zur Hochzeit ist alles wieder gut Karin Prohaska | Tennessee-Waltz Bert Hendrix |
Hast Du alles vergessen Drafi Deutscher | Il Silenzio Günther Karpa |
Letkiss Orch. Walter Eichenberg | Minne-minne-mitt Tina Brix |
Erst kam ein verliebter Blick Michael Heymann | Teenager-Träume Frank Schöbel |
Küsse unterm Regenbogen Manuela | Küsse nie nach Mitternacht Gipsy |
Take it easy Christian Schafrik | Gitta-Gittarina Robby Lind |
Mama Bärbel Wachholz | Ich such’ mir meinen Bräutigam alleine aus Karin Prohaska |
Was nicht ist, kann noch werden Robby Lind | Sprich nicht drüber Helga Brauer |