Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg

Jean Tinguely: Märchenrelief

Stand: 27.08.2008, 14:21 Uhr

Ein Ungetüm auf Rädern, zusammengebaut aus Schrott. Vermeintlich nutzlos in seinem Stillstand. Doch dann geraten seine Teile in Bewegung: Der "rasende Gartenzwerg" tanzt vor der "schnellen Weihnacht". Der "freudigen Ente" wird der Popo gestreichelt. Und der Frosch gleitet unermüdlich vor, zurück, vor, zurück.

Poesie aus Schrott

1978 baut Jean Tinguely (1925 - 1991) sein "Märchenrelief" aus Maschinenteilen und Fundstücken. Elektromotoren betreiben die kinetische Plastik. "Das Lächerliche, das Unnütze, das Unwichtige, das Nicht-ernst-zu-nehmende, das ist mir an den Materialien wichtig. Je verlotterter das Material, desto größer die Freude", hat Tinguely einmal gesagt. Ausrangiertes hat er zu neuem Leben erweckt, in Bewegung gebracht. Quietschend, knirschend, mühsam. Wie Sisyphos dazu verurteilt, wieder und wieder dasselbe zu tun - ohne Sinn, ohne Ziel. Tinguely spielt mit uns, mit unserem Anspruch auf Funktionalität, unserem steten Streben nach Effektivität. Eine Maschine, perfekt funktionierend - und doch: völlig absurd. Tragisch und komisch zugleich.

Die Kunst des Schweizers macht uns wieder zu Kindern: Schauen und Staunen, Rätseln und sich Erfreuen - am scheinbar Sinnlosen. "Meine Zeugen sind die Kinder", so Tinguely. "Sie haben noch die ersten Gefühle." Sein "Märchenrelief" ist ein Spaß, aber ein sehr ernsthafter. Es ist lebendig und handelt doch auch von Zerstörung und Stillstand. Es ist die reinste Poesie, errichtet aus Schrott. 

Buchtipps

Patricia Jean Tinguely - Stillstand gibt es nicht! Ausstellungskatalog Hrsg. von Manfred Fath Prestel 2002 (vergriffen)