Sie spielt mit unserer Wahrnehmung, sprengt unser Vorstellungsvermögen: die Wandzeichnung „Spiral“ des amerikanischen Konzeptkünstlers Sol LeWitt (1928-2007). Eine weiße Linie auf schwarzem Grund windet sich im Abstand von genau zehn Zentimetern in einer Länge von 5,7 Kilometern auf einer Fläche von 472 Quadratmetern, mathematisch kalkuliert und geometrisch exakt – eigentlich nichts Besonderes, und doch zieht sie den Betrachter an wie ein Magnet. Wo ist der Anfang? Wo das Ende? Aus der schlichten Form der Spirale entsteht eine Fülle von Kreisen. Raum und Zeit verschwimmen. Die Orientierung zerbricht an der Wirklichkeit. Was zunächst so simpel erscheint, entfaltet eine irrationale Kraft.
„Das Wichtigste ist das Konzept"
Aufgebracht ist Sol LeWitts Spirale auf den Innenwänden eines achteckigen Kuppelbaus im Maastrichter Bonnefantenmuseum. Ein Assistent hat ihn 1996 erstmals nach den präzisen Plänen des Künstlers ausgemalt. „Das Wichtigste bei der Arbeit ist das Konzept. Planungen und Entscheidungen liegen vor der Ausführung. Die Idee wird zu einer Maschine, die Kunst macht“, schrieb Sol LeWitt, der mit seinem Begriff der „Conceptual Art“ die Moderne entscheidend beeinflusste.
Kosmos labyrinthischer Linien
Für Sol LeWitts Wandzeichnung hat der österreichische Künstler Franz West das passende Mobiliar entworfen: Schaumstoffpolster auf Moniereisen. Wie kein anderer verwischt der Wiener die Grenzen zwischen Kunst und Gebrauchsgegenstand. „Ich will, dass Kunst echt ist, keine Illusion. Ich möchte hineingehen können, darauf sitzen oder liegen können“, sagt er. Die eiserne Museumsregel „Nicht berühren“ ist im Kuppelbau des Bonnefantenmuseums außer Kraft gesetzt. Hier können die Besucher die Kunst so angenehm wie möglich erleben. Und so wird LeWitts Spirale zu einem Kosmos labyrinthischer Linien.
Standort
Autorin: Martina Müller