Das Rheintal bei Königswinter - Inbegriff deutscher Schauerromantik und zugleich ideale Kulisse für die rheinische Variante des bayerischen Neuschwanstein: die Drachenburg des Stephan von Sarter. Er kam aus kleinen Verhältnissen, gelangte durch Börsengeschäfte zu Reichtum und hatte es 1881 geschafft: die Nobilitierung zum Baron.
Ein Gesamtkunstwerk des Historismus
Die Schlossanlage krönt den Aufstieg in die Aristokratie. Mehrere Architekten sind beteiligt, 1885 kann der Bauherr sein neugotisches Statussymbol präsentieren. Eine "Walhalla des Rheinlands" und illusionistisches Mittelalter. Ein Gesamtkunstwerk des Historismus. Alles ist auf Repräsentation ausgerichtet, nicht auf privates Wohnen.
In der Ferne sieht man den Kölner Dom, damals gerade fertiggestellt und ein Symbol nationaler Einheit. Die Trinkstube lässt der neue Schlossbesitzer als Sohn eines Bonner Gastwirts mit bacchantischen Szenen ausmalen - weinselige Träume von Liebe, Ehre und Ruhm. Mit Billard, dem Zeitvertreib des Adels, imitiert der finanzstarke Baron aristokratischen Luxus. Sein Wohnstil orientiert sich an der "Deutschen Renaissance", ist ein Spiegelbild des aufstrebenden Bürgertums. Tatsächlich lebt der Börsenspekulant Stephan von Sarter in Frankreich. In seinem Schloss am Rhein demonstriert er Patriotismus und Kaisertreue.
Xanadu am Rhein
Die skurrile Welt findet Beifall beim Hochadel: Die Kaiserin, Kronprinzen und Prinzessinnen gastieren in Sarters Traumschloss, erfüllen seinen Wunsch nach sozialer Anerkennung. Sarter selbst starb 1902 in Paris, gewohnt hat er auf Schloss Drachenburg nie. Seine märchenhafte Villa ist ein Xanadu am Rhein, das Denkmal eines Finanzjongleurs, der ganz nach oben wollte.
Autorin: Martina Müller