"Das Wesen der gesamten Photographie ist dokumentarischer Art", formulierte August Sander in einem seiner Vorträge, die er 1931 im Westdeutschen Rundfunk hielt. Wie sehr er sich selbst von dieser Aussage leiten ließ, bezeugt sein monumentaler Foto-Zyklus "Menschen des 20. Jahrhunderts". Für den heutigen Betrachter sind es Bilder aus einer anderen Zeit, und jedes erzählt eine eigene Geschichte: von einem Studenten mit Mensuren, einem verschmitzten Pfarrer oder von einer Krämerseele.
Spiegel der Zeit
August Sander begann 1910, Menschen zu fotografieren, zuerst in seinem Heimatort Herdorf im Siegerland, wo er 1876 geboren wurde, später auch in seiner Wahlheimat Köln. Es wurde ein Projekt fürs Leben. Immer wollte er die Dinge sehen, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollten: "Mit Hilfe der reinen Photographie ist es uns möglich, Bildnisse zu schaffen, die die Betreffenden unbedingt wahrheitsgetreu und in ihrer ganzen Psychologie wiedergeben."
Um 1924 konzipierte er eine Ordnung für seine Porträts und sortierte sie in sieben Gruppen: "Der Bauer", "Die Handwerker", "Die Frau", "Die Stände", "Die Künstler", "Die Großstadt" sowie "Alter, Krankheit und Tod". Die Aufnahmen dokumentieren auf eindrucksvolle Weise eine Gesellschaft im Wandel. Sie alle stehen für Sanders Überzeugung, "dass, wenn wir wahre Bildnisse von Menschen schaffen…, wir damit einen Spiegel der Zeit schaffen, in der diese Menschen leben."
1929 veröffentlichte er eine Auswahl von 60 Aufnahmen in seinem ersten Buch "Antlitz der Zeit". Die Resonanz war enorm. Walter Benjamin, Kurt Tucholsky und Thomas Mann äußerten sich begeistert. Fünf Jahre später verboten die Nationalsozialisten das Werk und zerstörten die Druckstöcke. August Sander entkam nur knapp einem Berufsverbot.
Er starb 1964 in Köln. Die "Menschen des 20. Jahrhunderts" wurden 1980 von seinem Sohn Gunther Sander erstmals veröffentlicht.
Buchtipps
August Sander: Menschen des 20. Jahrhunderts. 7 Bände. Ein Kulturwerk in Lichtbildern eingeteilt in sieben Gruppen. Hrsg. von: Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur. Schirmer/Mosel 2002, Preis: 128 Euro
August Sander: Antlitz der Zeit. Sechzig Aufnahmen deutscher Menschen des 20. Jahrhunderts. Einleitung von Alfred Döblin. Schirmer/Mosel 2003, Preis: 6,95 Euro