Die Szene erinnert an ein Kaffeehaus aus längst vergangenen Zeiten. Ein Ort der Begegnung, des Wartens, Zuflucht für einsame Existenzen. An der Garderobe Relikte bürgerlichen Lebens: ein Hut, ein Mantel. Es sind die Hinterlassenschaften eines Mannes, der täglich kam und nun verschwunden ist. Seitlich flackert eine Öllampe - wie ein Grablicht, Schimmer der Hoffnung und doch nur ein schwacher Trost.
Die Kunst als Welttheater
Es wäre ein Bild der Verlorenheit, wäre da nicht die Monumentalität der goldenen Mauer, Blattgold auf rau verputzter Wand. Sie ist der Hintergrund für Heilige und Heilsgestalten. Im matten Glanz spiegeln sich die Besucher. Sie werden zu Protagonisten des Kunstwerks, ihr Handeln zu einem Reflex auf der funkelnden Folie der Utopie.
Jannis Kounellis, 1936 in der griechischen Hafenstadt Piräus geboren, ist Mitbegründer der "Arte povera"-Bewegung. Er baut aus Alltagsgegenständen menschenleere Bilder als Bühne für den Betrachter. Die Kunst wird zum Welttheater, und wir sind die Helden. "Tragedia Civile" - bürgerliche Tragödie hat Kounellis die 1975 entstandene Installation genannt. Wie das Stück endet, bleibt offen.
Autorin: Martina Müller