Auf den ersten Blick ist es ein Postkartenidyll. Eine winterliche Dorfszene. Die Sonne wird bald untergehen, Menschen schleppen Waren übers Eis, andere drängeln sich an der Theke einer Baumkneipe. Trotz der Kälte ist draußen allerhand los. Denn in den Häusern ist es nicht viel wärmer. Wir sind im 16. Jahrhundert. Auch das charakteristische Kalendermotiv für den Winter fehlt nicht: Schweineschlachten. Drum herum schwer durchschaubares Gedränge in einem Brabanter Dorf.
Vielfach kopierte Dorfszenerie
Wären da nicht die Frau auf dem Esel und ihr Mann - auf dem Weg zur "Volkszählung zu Bethlehem". 1566 schuf Pieter Bruegel der Ältere das gleichnamige Gemälde. Lange nach dessen Tod kopierte sein Sohn, Pieter Bruegel der Jüngere, zahlreiche Motive des Vaters, allein die Volkszählung 13 Mal. Die Nachfrage war riesig.
Kleine Revolution in der Malerei
Pieter Bruegel der Ältere war ein Pionier der realitätsbezogenen Malerei. Er verlegte die biblische Szene in seine Zeit. Wie er es tat, bedeutete eine kleine Revolution in der Malkunst. Statt der bis dahin üblichen haargenauen Wiedergabe wagte Bruegel eine lockere Pinselführung, vereinfachte und erweckte damit seine Figuren zum Leben.
Vielschichtiges Weihnachtsmotiv
Und die Volkszählung? Ist tatsächlich eine Steuereintreibung. Die florierenden Niederlande ächzten damals unter den verhassten Habsburgern. Ihr Wappen hängt am Wirtshaus auf Bruegels Gemälde. Dadurch erscheint die vermeintlich harmlose Szenerie sogleich vielschichtiger: Der Künstler verweist auf die schwelende Rebellion gegen die Besatzer, die kurz nach Fertigstellung des Gemäldes in blutig unterdrückten Aufständen gipfelte.
Was für ein Weihnachtsmotiv! Ungemein modern gedacht und gemalt, vor 450 Jahren. Heute ist es im Bruegel-Saal in Brüssel zu bewundern.
Buchtipp
Pieter Bruegel der Ältere - Bauern, Narren und Dämonen.
Taschen Verlag 2007