Es ist der Höhepunkt christlicher Gottesdienste: Jeder Altar erinnert an das letzte Abendmahl vor der Kreuzigung. Ein Augenblick der Gemeinschaft und zugleich eine Tragödie, die seit jeher die Künstler reizt. "Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten…"
Auch Bartholomäus Bruyn der Ältere (1493-1555), der in Köln eine große Werkstatt unterhielt und sich mit Sakralkunst ebenso wie mit bürgerlichen Porträts einen Namen machte, hat diesen dramatischen Moment eingefangen.
Großes Theater
Ein Verräter? Unter den Jüngern? Unvorstellbar! Während mitten im Trubel der Lieblingsjünger Johannes auf Jesu Schoß ruht, geht dessen wissender Blick in eine Richtung: zum Verräter, zu Judas. Ganz teuflisch, mit feuerrotem Haar und Ziegenbart, hat ihn Bruyn gezeichnet. Halb versteckt über allem Moses - mit dem Aufruf zu Nächstenliebe.
Kurz vor seinem Tod, um 1555, vollendete Bruyn für Sankt Severin das Triptychon. Es ist vermutlich das letzte seiner zahlreichen Kirchenbilder, die er in fast vierzig Jahren vorwiegend für die Rheinmetropole schuf. Das Hauptmotiv umrahmte er mit zwei Szenen aus dem Alten Testament, die Christen gerne als prophetische Vorläufer des Abendmahls interpretieren: Moses, auf den das Manna in Form kleiner Hostien herabregnet, und Abraham, der von König Melchisedech Brot und Wein empfängt. Hier hat der Meister, dezent und doch unübersehbar, auch sein letztes Selbstbildnis platziert. Und damit eine kleine Hintertür zur Welt jenseits der Bibel geöffnet. Bartholomäus Bruyns Altarbild ist eine lebendige Inszenierung, großes Theater. Nach jahrelanger Odyssee hat es in der romanischen Kirche Sankt Severin nahe dem Allerheiligsten wieder einen Platz gefunden.