Obdachlosigkeit
Hilfe für Wohnungslose: 7 inspirierende Projekte
Stand: 12.12.2024, 10:37 Von Tobias Spelz Glücksfunken
Von Tobias Spelz
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Kommentieren [6]Über 600.000 Menschen waren Schätzungen zufolge in Deutschland im Jahr 2022 wohnungslos, etwa 50.000 von ihnen lebten auf der Straße. Verschiedene Projekte helfen ihnen, dort besser zurecht zu kommen und wieder eine eigene Bleibe zu finden.
Oft nehmen wir diese Menschen und ihre individuelle Geschichte nicht richtig wahr. Manchmal werden sie sogar aktiv aus den Innenstädten vertrieben – zum Beispiel mit Stacheln ("Spikes") unter Brücken, sogenannter "Hostile Architecture".
Wohnungslos oder obdachlos? Das ist der Unterschied
Laut Wohnungslosenberichterstattungsgesetz (WoBerichtsG) gilt als wohnungslos, wer keinen rechtlich abgesicherten Wohnraum hat – sei es durch Mietvertrag, Pachtvertrag oder andere Rechte. Wohnungslosigkeit bedeutet also, dass eine Person keinen eigenen Wohnraum zum Schlafen hat. Sie kann aber nachts zum Beispiel in Notfalleinrichtungen, Heimen oder bei Freunden unterkommen. Obdachlos hingegen ist, wer auch nachts keine Unterkunft findet und draußen lebt. Nur ein kleiner Teil der Wohnungslosen ist auch obdachlos.
Es gibt aber auch das Gegenteil: Menschen, die sich um Hilfe für Wohnungslose kümmern und Obdachlose und ihre Bedürfnisse mehr in den Mittelpunkt rücken. Wir stellen hier sieben solcher Projekte vor. Einige davon richten sich nicht nur an Obdachlose, sondern auch an Menschen mit eigener Wohnung. Ziel des Ganzen: den direkten Austausch fördern. Denn Verständnis für die Situation von Obdachlosen ist der erste Schritt zu einem besseren Miteinander.
1. Hilfe bei Extremwetter: Hitze- und Kältebusse
Menschen ohne Dach über dem Kopf sind den Temperaturen draußen ausgesetzt. Egal ob extreme Hitze oder extreme Kälte – beides kann für sie gesundheitlich gefährlich werden. An heißen Tagen ist es überlebenswichtig, genug zu trinken und sich vor der Sonne zu schützen. In manchen Winternächten droht ihnen hingegen der Kältetod.
In einzelnen Städten, wie zum Beispiel Berlin, Hamburg oder Solingen, gibt es Busse, die im Hochsommer und im tiefsten Winter durch die Stadt fahren, um die Menschen mit notwendigen Dingen zu versorgen. Die Helfer:innen versorgen sie bei Hitze mit Wasser, Sonnencreme und schützender Kleidung. Bei besonders niedrigen Temperaturen bringt der Kältebus wärmende Getränke, Speisen und Schlafsäcke.
2. Obdachlose zeigen ihre Stadt bei einer Stadtführung
Wie sehen Obdachlose eine Stadt? Diese etwas andere Perspektive auf das urbane Leben zeigen einige ehemals Obdachlose auf speziellen Führungen. Hier werden nicht die klassischen Sehenswürdigkeiten für Tourist:innen vorgestellt, sondern Orte, die für obdachlose Menschen wichtig sind.
Dabei verdeutlichen sie auch, mit welchen Problemen und Schwierigkeiten ein Mensch ohne Unterkunft jeden Tag zu kämpfen hat: Wo gehe ich auf Toilette? Wo kann ich günstig mein Hab und Gut einschließen? Wo gibt es Angebote zum Waschen? Wo bekomme ich Trinkwasser? Das zeigt zum Beispiel Stadtführerin Melanie in Bonn.
Sie war einst selbst obdachlos und ist nicht die einzige, die solche Touren anbietet. Organisiert werden die Führungen vom Verein "Stadtstreifen", der das Projekt gegründet hat. Ähnliche Führungen gibt es auch in Köln, Dortmund oder Berlin.
3. Kostenloser Haarschnitt für Bedürftige
Die "Barber Angels" tragen Rockerjacken und heißen "Lady Grey", "Papa Bär" oder "Miraculix". Sie sind Friseurinnen und Friseure mit einer Mission: Wohnungs- und Obdachlosen kostenlos die Haare zu schneiden. Also denjenigen, die sich das normalerweise nicht ohne Weiteres leisten können. Als "Barber Angels", also Barbier-Engel, gehen sie in Wohneinrichtungen oder Bahnhofsmissionen.
Ein Friseur aus Baden-Württemberg hatte 2016 diese Idee. Mittlerweile haben die Barber Angels rund 800 Mitglieder in ganz Europa. Die Friseurinnen und Friseure nutzen ihr Handwerk, um ohne Gegenleistung Gutes zu tun. Während des kostenlosen Haarschnitts entstehen oft Gespräche und Bekanntschaften. Und der Blick in den Spiegel, nachdem Haare und Bart wieder in Form sind, ist jedes Mal ein Erlebnis.
4. Mobile Duschen für mehr Menschenwürde
Körperpflege gehört zu unseren Grundbedürfnissen. Für Menschen, die ihr Leben auf der Straße verbringen, ist der Zugang zu Wasch- und Duschräumen jedoch oft nicht gegeben oder schwer erreichbar. In Düsseldorf gibt es daher seit 2024 einen mobilen Duschanhänger, der obdach- und wohnungslosen Menschen eine warme Dusche sichert.
Der Anhänger wird von montags bis freitags dorthin gebracht, wo er gebraucht wird. Im Austausch mit den Menschen, die ihn in Anspruch nehmen, finden die Initiator:innen aktuell heraus, welche Standorte am sinnvollsten sind. Außerdem stellen sie Hygieneartikel, Handtücher und frische Kleidung zur Verfügung. Ähnliche Konzepte gibt es bereits in anderen großen Städten, wie zum Beispiel in Hamburg, Hannover oder Berlin.
5. Hilfe für Obdachlose: Housing First
Finnland gilt als Vorreiter im Umgang mit Obdachlosigkeit. Die Obdachlosenzahlen sind hier seit Jahren rückläufig. Unter anderem aufgrund eines konsequenten Wohnprogramms, das sich "Housing First" nennt. Obdachlose bekommen hier bedingungslos eine kleine Wohnung. Die erforderlichen Wohnungen stellt eine Stiftung zur Verfügung oder baut sie neu.
Dieser Ansatz sieht die eigenen vier Wände als wichtigen Baustein für die erfolgreiche Reintegration. Aus dem geschützten Raum heraus können weitere Probleme besser angegangen werden. Hierbei stehen auch Sozialarbeiter:innen zur Unterstützung bereit.
Der Großteil der ehemals Obdach- und Wohnungslosen schafft so den Weg zurück in ein stabiles Leben. Auch in Deutschland werden Housing First-Programme bereits angewandt.
6. Studierende und frühere Obdachlose wohnen in einer WG
Im Wiener Sozialprojekt "VinziRast – mittendrin" wohnen junge Studierende zusammen mit ehemals Obdachlosen in Wohngemeinschaften. Gemeinschaftsküchen und Wohnzimmer sorgen für viel Austausch untereinander.
Es gibt Werk- und Veranstaltungsräume, Studierzimmer und einen Dachgarten. Das Projekt hat auch das Ziel, sich selbst und andere besser kennenzulernen und neue Perspektiven zu erhalten.
7. Geschenkte Tiny Houses als Hilfe für Wohnungslose
Ein Stück Privatsphäre auf ein paar Quadratmetern ermöglicht der Verein „Little Home“ aus Köln. Freiwillige bauen Mini-Häuschen und verschenken sie an Obdach- und Wohnungslose.
Die „Little Homes“ stehen auf Rädern, sie benötigen deshalb keine Baugenehmigung. Zur Einrichtung der Mini-Häuschen gehören eine Matratze, ein Feuerlöscher und eine Camping-Toilette. Die Little Homes stehen bereits in vielen deutschen Städten, beispielsweise in Köln, Potsdam, Kiel, Wiesbaden oder Nürnberg.
Du bist selbst wohnungslos oder obdachlos oder hast Angst, deine Wohnung zu verlieren? Hier kannst du dich über Hilfen informieren und Beratungsstellen bei dir vor Ort suchen.
Mehr Informationen zum Thema:
Informationen und Statistiken der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (bagw.de)
Homepage der Barber Angels (b-a-b.club)
Informationen und Hintergründe zum Wohnprojekt "VinziRast mittendrin" in Wien (vinzirast.at)
Informationen und Hintergründe zum Verein "Little Home" (little-home.eu)
6 Kommentare
Kommentar 6: mulOMpUR schreibt am 23.12.2023, 05:37 Uhr :
Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)
Kommentar 3: Julia schreibt am 18.07.2023, 12:39 Uhr :
Es ist für uns 'normale' Mitbürger*innen wichtig Einblicke in die Lebenswirklichkeit von Wohnungslosen zu bekommen, damit wir uns richtig verhalten können. Besonders hilfreich finde ich Tipps, wie ich ganz einfach helfen kann. z.B. mit Toilettenartikeln und / oder Wasser ... Danke an Euch für diesen Bericht.
Antwort von kugelzwei , geschrieben am 18.07.2023, 15:32 Uhr :
Schön, dass dir der Artikel gefällt. Hast du noch weitere Tipps?
Antwort von Oliver Hertwig , geschrieben am 20.07.2023, 06:18 Uhr :
Wenn Du Dich sicher in der Situation fühlst, ist ein "Hallo, wie geht es Ihnen?" ein Zeichen, dass Du die Unsichtbaren siehst. Oft wirst Du daher schon eine freundliche Antwort erhalten. Wenn Du Kontakt bekommst, frag: "Brauchen Sie etwas?" Die Straßenmenschen können so selber sagen, womit Du im Hier und Jetzt helfen kannst. Wenn man Dich nach Geld fragt: Wenn Du willst und kannst: Machen. Mach Dir keinen Kopf darüber, wofür die Unsichtbaren das Geld ausgeben - Deine 50 Cent starten oder beenden keine Suchtkarriere. Wenn Du magst, sprich mit den Unsichtbaren und schenk Ihnen, wenn Sie erzählen wollen, ein bisschen Zeit, hör Ihnen zu. Geht es einem Straßenmenschen erkennbar sehr schlecht, trau Dich und ruf die 112. Sprich im Zweifelsfall andere Menschen an und bitte um Hilfe. Wenn Du im EN-Kreis, Hagen oder Wuppertal abends oder nachts auf Straßenmenschen triffst, die Hilfe brauchen: Anruf oder WhatsApp an 017634347385. Wir von unsichtbar-ev.de kommen raus und versuchen, zu helfen.
Kommentar 2: Oliver Hertwig schreibt am 18.07.2023, 08:23 Uhr :
Vielleicht für Euch und uns in diesem Zusammenhang auch interessant: Ihr könnt Euch ehrenamtlich in der Obdachlosenhilfe engagieren - Vereine wie z.B. Unsichtbar e.V. (unsichtbar-ev.de) arbeiten unterstützend und aufsuchend mit Straßenmenschen und leisten vor Ort und direkt Hilfe.
Antwort von kugelzwei , geschrieben am 18.07.2023, 15:31 Uhr :
Danke für den Hinweis!
Antwort von Julia , geschrieben am 14.08.2023, 13:01 Uhr :
Hallo Oliver Hertwig, ganz herzlichen Dank für die kurze Info vom 20.07.2023 - und auch für den Link vom 18.07.2023 - Das ist kurz und präzise und kann ich mir gut merken. Jetzt fühle ich weniger Hemmungen für die Kontakte mit Unsichtbaren, die noch kommen werden. Alles Gute für Deine Projekte. Julia
Kommentar 1: Maria Pohl schreibt am 01.02.2023, 20:55 Uhr :
Wir haben diesen Kommentar gesperrt, weil er diskriminierend ist. Euer kugelzwei-Team