Zwei klassische Häuser stehen vor der Skyline einer Großstadt. Bezahlbarer Wohnraum gegen die Wohnungsnot wurde geschaffen, indem zwischen den beiden Häusern ein sehr schmales Haus gebaut wurde.

Wohnen

Wohnungsnot bekämpfen: 5 Ideen für bezahlbaren Wohnraum

Stand: 16.09.2024, 08:35 Von Nina Rath Gedankenspiele

Von Nina Rath

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Es gibt zu wenig Neubauten, um die Nachfrage zu stillen. 2023 wurden ca. 300.000 Wohnungen gebaut, etwa 100.000 weniger als von der Bundesregierung geplant. Das hat das Statistische Bundesamt veröffentlicht. Wir zeigen euch fünf Ideen, die abseits von Neubauten Wohnraum schaffen können.

1. Baulücken schließen, bezahlbaren Wohnraum schaffen

Baulücken sind unbebaute Grundstücke, die zwischen zwei Bebauungen liegen. Solche Lücken können Platz für zusätzlichen Wohnraum bieten, auch wenn sie, besonders innerstädtisch, etwas schmal sein können. In Köln lässt sich ein außergewöhnliches Beispiel dafür finden. Dort hat der Architekt Wolfgang Zeh eine nur drei Meter breite Baulücke bebaut und lebt in diesem Haus mit seiner vierköpfigen Familie auf 80 Quadratmetern.

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Die Architektin und Professorin für Stadtentwicklung Dr. Annette Rudolph-Cleff von der Technischen Universität (TU) Darmstadt findet, dass die Schließung von Baulücken zielführend ist. “Boden ist ein nicht vermehrbares Gut, gerade in Innenstädten gilt es, die bereits erschlossenen Grundstücke zu nutzen“, sagt sie. Das Innenentwicklungspotenzial in Deutschland liegt laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung bei rund 99.000 Hektar, die bebaut werden könnten.

2. Bei umkämpftem Wohnungsmarkt lieber ein Tiny House kaufen?

Auch in den Niederlanden haben die Menschen vor allem in den Städten mit hohen Mietpreisen zu kämpfen. Die Gründer:innen Tessa Peters und Rolf van Boxmeer haben daher die Initiative und das gleichnamige Projekt "Minitopia" ins Leben gerufen: Eine Siedlung in 's-Hertogenbosch mit 31 Tiny Houses, in denen rund 40 Menschen leben. Außerdem haben sie drei weitere "Minitopia"-Projekte in anderen niederländischen Städten aufgezogen.

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Aber auch in den Niederlanden stellt man Tiny Houses nicht mal eben so auf. Um einen Teil der behördlichen Regulierungen zu umgehen, ist das Projekt "Minitopia" auf zehn Jahre begrenzt. Danach müssen die Bewohnenden ihre Häuser umsiedeln oder verkaufen. Wäre ein ähnliches Projekt, aber mit dauerhaftem Wohnrecht in Deutschland überhaupt möglich? Bislang sind die Hürden oft noch groß, in Zukunft soll es jedoch mehr Bauplätze speziell für Tiny Houses geben. Laut Tiny-House-Verband sind derzeit rund 40 Siedlungsprojekte in Bearbeitung.

3. Nachverdichtung: Wohnraum durch Aufstockung von Gebäuden

Hoch hinaus statt mittendrin: Neben der Bebauung von Zwischenräumen können Häuser mit einer zusätzlichen Etage aufgestockt werden. Wenn es die bauordnungsrechtlichen Regeln hergeben, kann grundsätzlich jedes Haus mit extra Wohnraum ausgestattet werden. So haben es auch Architekt:innen in Hamburg gemacht. Dort wurde ein Wohnquartier mit einer Leichtbaukonstruktion aus Holz nachverdichtet.

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Somit entstanden 47 neue Wohnungen, die in ihrer Bauweise an Baumhäuser erinnern. Durch die zusätzliche energetische Sanierung konnte der CO2-Verbrauch der Siedlung halbiert werden, während sich die Wohnfläche verdoppelte. Das Konzept hat viel Potenzial: Laut einer Studie der TU Darmstadt bietet die Aufstockung und Umnutzung von diversen Gebäudearten in Deutschland Raum für 2,3 bis 2,7 Millionen zusätzliche Wohnungen.

4. Schwimmende Siedlungen gegen Wohnungsnot

Ein ausgefallener Ansatz, um mehr Wohnraum zu schaffen, ist das Bauen auf dem Wasser. In Amsterdam findet sich dazu ein schwimmendes Pionierprojekt: die Siedlung "Schoonschip". Beim Bau der 46 Wohneinheiten wurde auf den Einsatz von nachhaltigen Rohstoffen geachtet und auch sonst stehen hier ökologische Aspekte im Vordergrund.

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In den Niederlanden hat man verstanden, dass wir Menschen uns mit dem Wasser in Einklang bringen müssen. 'Schoonschip' ist ein schönes Beispiel für eine Gemeinschaft, die individuelle Wohnwünsche gegen die Schaffung eines gemeinsamen Quartiers eintauscht und sich ständig weiterentwickeln will“, erklärt die Professorin Dr. Annette Rudolph-Cleff.

In Deutschland stehen die Städte unterschiedlich zur Bebauung ihrer Wasserlandschaft. Grundsätzlich sind Wasserflächen Freiräume der Allgemeinheit und einen Rechtsanspruch auf einen Platz darauf gibt es nicht. Der Bezirk Hamburg-Mitte hat beispielsweise einen eigenen Leitfaden für Interessent:innen erstellt, der die Rechtsgrundlage zusammenfasst und bei der Genehmigung von Hausbooten und schwimmenden Häusern helfen soll. Weiterer Wohnraum ist im Prinzip schon da, man muss ihn nur als solchen nutzen dürfen.

5. Umnutzung: Von Gewerbe zu Wohnraum

Viele ehemals gewerblich genutzte Gebäude stehen leer. Warum also diese nicht zu Wohnungen umbauen? Die Bank "Lloyd" hat das in Großbritannien umgesetzt: Stillgelegte Bürogebäude wurden an eine Wohnungsbaugesellschaft verkauft. Insgesamt 80 der neu entstandenen Wohnungen werden als Sozialwohnungen zu unterdurchschnittlichen Mietpreisen angeboten.

Umwidmung gibt es auch bei uns. Beispielsweise werden alte Kaufhäuser zu Kindergärten, Boulderhallen oder Kunstausstellungen.

Prof. Dr. Annette Rudolph-Cleff sieht im Hinblick auf Neubauten und den Abriss bestehender Gebäude das Gebot der Stunde darin, so viele bestehende Flächen umzunutzen, wie möglich. "Alten Bürogebäuden und Gewerbeflächen einen langfristigen Nutzen in Form von Wohnraum zu geben, ist ein super Konzept. Im besten Fall sind die Gebäude auch schon im Stadtraum vernetzt."

Die Bundesregierung hat 2023 eine Förderung eben solcher Projekte beschlossen und will sie bis Ende 2025 mit 480 Mio. Euro unterstützen. So soll etwa mit dem Konzept "Gewerbe zu Wohnraum" der Kauf, Umbau und die Sanierung von leerstehenden Büros und Läden mit billigeren Zinsen gefördert werden. Um die Nutzung von leeren Gewerbeimmobilien zukünftig zu erleichtern, wird zudem an einem Digitalisierungsverfahren gearbeitet, das die Genehmigungs- und Planungsprozesse vereinfachen soll.

Wer einen solchen Umbau durchführen will, braucht dafür eine Baugenehmigung, die von der zuständigen Stadt oder Gemeinde erteilt werden muss. Die Umwandlung von Nichtwohngebäuden zu Wohnimmobilien unterliegt neben den jeweiligen Landesbauordnungen auch kommunalen Satzungen, die beachtet werden müssen. Eigentümer:innen können für eine solche Umwidmung Förderkredite beim Bund beantragen.

Fazit: Die Lösungen für mehr Wohnraum sind vielfältig

Eines haben die von uns vorgestellten Ideen gemeinsam: Sie zeigen, dass auch Kreativität und die Eigeninitiative sozialer Gemeinschaften gefragt sind, um der Wohnungsnot zu begegnen. Davon ist auch die Architektin Prof. Dr. Annette Rudolph-Cleff überzeugt. Letztendlich ist es wohl eine Kombination vieler Lösungen, die es bedarf, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, in dem wir alle leben – und noch viel wichtiger – uns wohlfühlen können.

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