Das Bild zeigt einen Skatepark und eine Bar und tanzende Menschen in einer Kirche.

Umnutzung

5 Beispiele: So werden ehemalige Kirchen umgenutzt

Stand: 13.11.2024, 17:06 Von Henrik Veldhoen Gedankenspiele

Von Henrik Veldhoen

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Besser als Abriss: Wenn Kirchengebäude nicht mehr für Gottesdienste gebraucht werden, können wir sie anders weiter nutzen.

Immer weniger Menschen gehen in die Kirche. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten war 2022 weniger als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland Mitglied der evangelischen oder katholischen Kirche – Tendenz sinkend. Das bedeutet, es werden auch immer weniger christliche Kirchengebäude gebraucht. Wie können wir diese Bauten vor Leerstand und Verfall bewahren, sie anpassen und umnutzen?

In immer mehr Kirchen ist Raum für Neues

„Wir können davon ausgehen, dass jede vierte bis fünfte Kirche in Zukunft nicht mehr in ihrer ursprünglichen Nutzung als reiner Gottesdienstraum genutzt wird, sagt Stefanie Lieb. Sie ist Professorin am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln und forscht zur Umnutzung von Kirchengebäuden.

Bei über 44.000 Kirchen in Deutschland ergibt das eine große Anzahl von Kirchen, die nicht mehr gebraucht werden – aber weiterhin Potenzial für unsere Gesellschaft haben. Manche Ex-Kirchen werden heute als Begegnungszentren genutzt, andere als Restaurants, in einigen finden Kultur-Veranstaltungen statt. Gelungen sei eine Umwidmung dann, wenn viele Menschen etwas davon haben, sagt Forscherin Lieb. Denn: „Kirchen sind öffentliche Orte.“

Wie viele Kirchen in Deutschland nach ihrer Entwidmung bereits umgenutzt werden, ist nicht klar zu beziffern. Zudem sorgen komplizierte Vorschriften aus Bau- und Kirchenrecht dafür, dass der Transformationsprozess oft lange dauert. Forscherin Lieb plädiert dafür, dass Gemeinden, Kirchen und Politik gemeinsam “Möglichkeitsräume“ schaffen. Wie könnten diese aussehen? Hier kommen fünf Beispiele:

Das bedeutet die Entwidmung einer Kirche

Eine Entwidmung ist die Voraussetzung dafür, dass sakrale Gebäude wie Kirchen für andere Zwecke genutzt werden können. Die Kirche verliert dabei ihre Weihe bzw. Segnung. In der evangelischen Kirche bedarf die Entwidmung der Zustimmung der jeweiligen Landeskirche. Im katholischen Glauben nennt man diesen Vorgang "Profanierung". Er entspricht quasi dem Gegenstück zur Kirchweihe und findet immer dann statt, wenn die kirchliche Nutzung eines Gebäudes beendet wird, also zum Beispiel vor einer Umnutzung, aber auch vor einem Abriss.

1. Eine "Skate-Kirche" im spanischen Llanera

Wo früher Kirchenbänke standen, fahren heute Jugendliche durch eine Halfpipe: Die “Skate Church“ in der nordspanischen Stadt Llanera ist der wahrgewordene Traum aller Skate-Fans. Über 110 Jahre hat das neoromanische Bauwerk schon auf dem Buckel; heute mit diversen Rampen und Sofa-Ecken anstelle eines Altars. 2015 wurde der Indoor-Skatepark in der einstigen Santa Barbara Kirche eröffnet.

Jahrzehntelang hatte die Kirche nach dem spanischen Bürgerkrieg leer gestanden, bis Investor Fernández Rey ein Geschäft darin eröffnen wollte. Dann kam die Wirtschaftskrise – und so entschlossen der passionierte Skater und seine Freunde, die Kirche mit Hilfe eines Crowdfundings für ihr Hobby umzubauen. Ein Street-Art-Künstler lieferte die entsprechenden “Fresken“ dazu, szenegerecht aus der Spraydose.

Ein Kirchenfenster scheint Licht auf eine Skate-Rampe.

2. Maastricht: Buchladen in ehemaliger Kirche

In dieser Ex-Kirche kannst du nicht nur in der Bibel lesen! Die Dominikanerkirche im niederländischen Maastricht beherbergt heute einen Buchladen. Und was für einen: Ein Hingucker ist das riesige, begehbare Bücherregal auf der rechten Kirchenhälfte. Es ist 30 Meter lang und erstreckt sich auf 18 Meter Höhe über drei Etagen. Im ehemaligen Priesterchor lädt ein Café zum Schmökern und Verweilen.

Wohl kaum eine Kirche auf der Welt hat eine so bewegte Umwidmungs-Vergangenheit: Seit rund 200 Jahren wird die Kirche nicht mehr als Gotteshaus genutzt. Stattdessen diente sie unter anderem als Schlangenhaus, Fahrradparkstation und Karnevalssaal. Außerdem waren in ihr schon ein Boxring und eine Automobilschau untergebracht. Und jetzt eben Tausende Bücher.

3. Die "Kletterkirche" in Mönchengladbach

Die ehemalige Pfarrkirche St. Peter wurde 2009 zur ersten „Kletterkirche“ Deutschlands umgewidmet. Von außen hat sich das Gebäude im Mönchengladbacher Stadtteil Waldhausen kaum verändert, doch von innen sind nun bis zu 13 Meter hohe Kletterwände in die Kirchenarchitektur eingepasst. Und auf der Empore, die früher mal die Kirchenorgel beherbergte, finden Kletterfans jetzt einen Boulder-Bereich.

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Insgesamt kann auf rund 1.300 geklettert werden, dazu gibt es im Sommer einen Außenbereich mit Slacklines und Spielmöglichkeiten für Kinder. In Schnupperkursen können Interessierte ihre ersten vertikalen Schritte machen, dazu kommen auch Sportgruppen und Schulklassen regelmäßig her. Besonderes Highlight ist ein gesicherter Sprung von einer über 8 Meter hohen Planke hinein in die Kirchenhalle.

4. Die "Kneipenkirche" auf dem Land

Bier trinken in der Kirche?! Was in den meisten Gotteshäusern nicht ganz so gern gesehen ist, geht – völlig legal – in der Dorfkirche von Landringhausen in der Region Hannover. Beziehungsweise, es ging: Im Juni 2023 hat die Gemeinde ihre Kirche nämlich für einen Monat lang jedes Wochenende in eine Kneipe verwandelt.

Weil die St.-Severin-Kirche parallel dazu weiterhin für Gottesdienste genutzt wurde, handelt es sich eher um eine temporäre Umnutzung. Doch die ist schon deshalb ein spannendes Konzept, weil es auch Menschen in die Kirche holt, die sonst nicht so viel mit Religion am Hut haben. "Kirche ist schon immer ein Ort der Begegnung und der Gemeinschaft gewesen", sagte Diakonin Carina Hausmann zur Eröffnung.

2020 hatte nach 50 Jahren die letzte Kneipe in Landringhausen geschlossen – sie lag direkt gegenüber der Kirche. Auch deshalb kam die „Kneipenkirche“, wie das Projekt offiziell heißt, gut an im 1000-Seelen-Dorf. Auf den Bierdeckeln fanden sich Sinnfragen statt Bierwerbung; zudem gab es ein abwechslungsreiches Abendprogramm mit Karaoke, Quiz-Abenden und Bandauftritten. 2024 ist die Kneipenkirche in die Corvinus Gemeinde im Nachbardorf Wunstorfs umgezogen.

5. Kita statt Kirche

Ein wahres Kinderparadies versteckt sich in der ehemalige Kirche St. Sebastian in Münster. 1962 erbaut und 2008 entweiht, beherbergt das Gebäude heute eine Kindertagesstätte. Liebevoll ist das Innere mit Tiermotiven gestaltet, es gibt zahlreiche Spielmöglichkeiten einschließlich einer Rutsche und mehrere Gemeinschaftsräume, in denen Bibergruppe und Co. lernen, toben und Freundschaften schließen können.

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Tatsächlich gibt es die katholische Kita schon seit über 50 Jahren. Als drei Pfarrgemeinden 2012 zu einer Großpfarrei zusammengelegt wurden und die Kirche nicht mehr für Gottesdienste genutzt wurde, gestaltete ein Architekturbüro das Gebäude aufwändig und kindergerecht um – inklusive Allwetter-Spieldeck und Oberlichtbändern, die für angenehme Tageslicht-Atmosphäre im Inneren sorgen.

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