Landwirtschaft
"Blockchain-Hühnchen": Mehr Transparenz in der Lebensmittelindustrie?
Stand: 16.05.2023, 17:32 Gamechanger
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KommentierenIm Laden gibt‘s zwar regionale Produkte – aber welchen Weg ein Huhn bis zur Kühltheke genau zurücklegt, ist unklar. Wie können wir Lieferketten transparent nachvollziehbar machen und damit bestenfalls Lebensmittelskandale verhindern? Eine Lösung könnte die Blockchain-Technologie sein.
Das Hühnchen ist am 2. Juni 2043 in einer Züchterei in Kalifornien aus dem Ei geschlüpft, zwei Wochen später kam es auf einem Bauernhof an. Dort hat es Obstreste und Biogetreide gefressen und zusätzlich wöchentlich Calcium geschluckt, Antibiotikum gab es keins. Drei Monate später wurde das Tier geschlachtet und landete am 2. November 2043 im Supermarkt.
Diese und noch mehr Informationen findest du auf der Verpackung des Hühnchens, Schritt für Schritt kannst du so dem Lebensweg deines Abendessens folgen. Bisher ist das allerdings in Deutschland noch Utopie. Dabei hätte eine komplett offengelegte Lieferkette viele Vorteile.
Radikale Transparenz für Verbraucher:innen?
“Wenn der Markt von den Lebensmittelherstellern mehr Transparenz verlangt, dann zwingt er sie hoffentlich dazu, die Dinge für die Menschen und den Planeten besser zu machen“, sagt Mike Lee, Gründer und Chef von “The Future Market“. Sein Unternehmen entwirft in den USA Konzepte für die Lebensmittel der Zukunft, darunter auch den anfangs beschriebenen “Block Bird“, das Blockchain-Hühnchen.
Die Blockchain ist vor allem durch die Schaffung von Bitcoin bekannt. Sie funktioniert dezentral und kann nahezu fälschungssichere digitale Aufzeichnungen erstellen. Eine auf Blockchain basierende Technologie zur Lebensmittelverfolgung könnten wir theoretisch auf jedes Produkt, ob tierisch oder pflanzlich, anwenden, erklärt Lee. “Wir haben uns für das Huhn entschieden, weil es so ein alltägliches, uns vertrautes Produkt ist.“
Lees erklärtes Ziel: “Im Idealfall hoffe ich, dass radikale Transparenz auch aufgeklärte Verbraucher:innen schafft, die verstehen, wie Landwirtschaft mit all ihren Nuancen funktioniert.“ Auf dem US-Markt ist der “Block Bird“ bisher noch nicht.
Chinesische Hühner mit Fußbändern
Versuche mit Blockchain-Hühnchen gibt es aber im Südwesten von China. Die Journalistin Xiaowei Wang schildert in der “New York Times“ ihren Besuch bei einem Bauern: “Jiang stattete seine Hühner mit tragbaren Fußbändern aus, die ihre Bewegungen aufzeichnen, ähnlich wie ein Fitnessarmband.“
Er arbeite mit einem Tech-Start-up zusammen, um die Daten in einer Blockchain zu speichern. “Wenn die Kunden das Huhn kaufen, müssen sie sich nicht auf Jiangs Wort verlassen, dass seine Vögel im Sonnenschein herumspaziert sind. Sie können sich auf die untrügliche Mathematik verlassen.“
Auch Lebensmittelskandale könnten mit der Technologie ein Ende haben, sagt Blockchain-Expertin Britt Kritzler von der britischen Behörde Food Standards Agency. Ein Vorteil auch für Händler.
Im Interview mit dem Magazin “agrarheute“ erklärt Kritzler: “Ich kann mir gut vorstellen, dass führende Lebensmitteleinzelhändler irgendwann eine lückenlosere Qualitätssicherung von ihren Lieferanten verlangen.“ Weitere Vorteile wären ein effizienterer Einkauf und ein Mehrwert für die Kunden.
Vom Einzelprojekt zum Wendepunkt für die Landwirtschaft?
China testet, die USA entwickeln - und Deutschland? 2020 hat die Bayer AG das Blockchain-Projekt TraceHarvest-Netzwerk gelauncht. “Produkte wie Saatgut lassen sich vollständig nachverfolgen: vom Verkauf über Anbau und Ernte bis hin zur Verarbeitung“, teilte das Unternehmen damals mit.
Mittlerweile ist die Bayer AG aus diesem Projekt ausgeschieden. Gründe dafür nennt das Unternehmen nicht. Es nutzt nach eigenen Angaben aber weiterhin die Blockchain-Technologie. Unter anderem, um den CO2-Ausstoß beim Soja-Anbau in Brasilien zu tracken.
Mike Lee von “The Future Market“ hofft, dass das Blockchain-Konzept sehr bald überall umgesetzt wird: “Wenn wir der Öffentlichkeit zeigen können, dass eine nachhaltigere und humanere Landwirtschaft zu besser schmeckenden Lebensmitteln führt, die sie sich leisten kann, dann wäre das ein Wendepunkt für die Landwirtschaft, unsere Gesundheit und den Zustand der Umwelt.“
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