Wie alles anfing

Stand: 05.05.2024, 20:15 Uhr

Frühjahr 2003: Am Sonntag um 20.15 Uhr liefen schon damals in der ARD der Tatort, im ZDF Herzschmerz-Unterhaltung, in den kommerziellen Sendern wie RTL, Sat 1 und Pro 7 Blockbuster-Spielfilme. Der WDR setzte damals zunächst ebenfalls auf fiktionale Stoffe und sendete überwiegend beliebte alte Spielfilme – aber mit mäßigem Erfolg beim Publikum.

Eine andere Möglichkeit wurde erwogen: eine unterhaltsame Informationssendung mit schönen Bildern – eine Reisesendung! Die Redaktion wurde mit einer Pilotsendung für Pfingsten 2003 betreut – eine Sendung über der Deutschen beliebtestes Urlaubsziel: Mallorca.

Die Moderation für diese Sendung übernahm Alida Gundlach. Sie hatte seit Jahren auf Mallorca ein Ferienhaus, sprach spanisch und war über ihre Talkshows einem breiteren Publikum bekannt. Mit äußerst geringem finanziellem Aufwand wurde eine 90-minütige Sendung auf Mallorca in drei Tagen gedreht, mit mehreren langen Interviews und unterhaltsamen Beiträgen aus dem WDR-Archiv. Die Sendung hatte die dreifache Einschaltquote der bis dahin üblichen Spielfilm-Wiederholungen.

Als die Sendung ganze drei Monate später an einem Sonntagabend noch einmal gezeigt wurde, war der Erfolg beim Publikum ähnlich groß. Danach entschieden die WDR-Verantwortlichen: Daraus machen wir eine Regelsendung.

Eine Inspiration lieferte auch die Sendung "Wunderschönes NRW", die bereits seit Jahren im WDR-Fernsehen lief. Moderator Bernd Müller fuhr im roten Bugatti durch Nordrhein-Westfalen, machte Station bei Handwerkern und Künstlern, besuchte Sehenswürdigkeiten, tauchte in die regionale Geschichte ein, stellte kulinarische Köstlichkeiten und spannende Freizeitaktivitäten vor und – schon damals ganz wichtig – er kam mit vielen besonderen Menschen ins Gespräch.

Für die neue Sendung wurde nun eine junge, sportliche und herzliche Moderatorin gesucht. Nach einem umfangreichen Casting fiel die Entscheidung für Tamina Kallert. Sie hatte zuvor beim WDR als Reporterin für das Jugendmagazin "Lollo Rosso" gearbeitet. Als Moderatorin eines Reisemagazins im Deutschen Sportfernsehen stellte sie ihr Geschick und ihre Abenteuerlust beim Windsurfen, Klettern und Mountainbiken unter Beweis. Schnell war klar: Sie ist die Richtige!

Tamina Kallert ist immer abenteuerlustig - hier seilt sie sich von einem Förderturm ab. | Bildquelle: WDR

Am 25. Januar 2004 wurde "Wunderschönes Sylt" als erste Sendung der neuen Reihe ausgestrahlt. Stargast war Reinhard Mey, der ein Haus auf Sylt besaß und sich als leidenschaftlicher Nordseefan erwies. Gerade in den ersten Jahren wurden immer wieder Prominente, die auch Experten für die jeweilige Destination waren, für die Sendung gewonnen: Vicky Leandros auf Korfu, Jim Kerr, der Sänger der Rockgruppe Simple Minds, in Schottland.

Zu Anfang waren die Drehbücher von "Wunderschön!" wie ein Spielfilm konzipiert, mit minutengenauen Einzelbausteinen. Moderationsfragen wurden mit der Redaktion vorab genau besprochen. Ähnlich wie in einer Livesendung bekam Tamina bei einem auf vier Minuten geplanten Interview mit Handzeichen nach drei Minuten gezeigt: Komm zum Ende. Und nach dem Interview moderierte sie einen Einspielfilm an.

Das Konzept von "Wunderschön!" bestand zu dieser Zeit aus zwei Grundelementen: Zum einen reiste Tamina durch die betreffende Region. Vor Ort moderierte sie Beiträge an: Über skurrile Menschen aus der Region, die sie aber nicht traf, über Sehenswürdigkeiten, deren Besuch in der knappen Drehzeit nicht möglich war. Viele Beiträge davon waren Archivschätze des WDR, die auf diese Weise in einem neuen Gewand noch einmal gezeigt werden konnten.

Die Sendung war schon nach kurzer Zeit sehr erfolgreich. Die Zahl der Produktionen wurde erhöht, auch die Zahl der Moderatoren. Langjähriger Moderator von "Wunderschön!" wurde deshalb Stefan Pinnow, der dem WDR-Publikum durch mehrstündige Talksendungen am Nachmittag bestens bekannt war. 2011 stieg Andrea Grießmann in das Team ein.

In dieser Zeit beschloss die Redaktion, das Konzept der Sendung zu ändern. Zum einen war damals der Anteil der Archivbestandteile sehr klein geworden, da "Wunderschön!" schon sehr früh in Full-HD produziert und ausgestrahlt wurde und es in den Archiven in dieser Qualität nur sehr wenig Material gab. Zum anderen wollte die Redaktion den Reiseverlauf und das ganze Feeling der Sendung für die Zuschauerinnen und Zuschauer nacherlebbarer und authentischer machen.

Dieses Vorhaben wurde 2015 zunächst in einer Sendung konsequent umgesetzt: Es entstand die für die Entwicklung von "Wunderschön!" sehr wichtige "Alpenwanderung", aus der sich vieles andere in der Zukunft konzeptionell ableiten würde. Tamina Kallert wanderte mit einer gemischten Gruppe in einer Woche über die Alpen von Oberstdorf nach Meran. Mit dabei waren Menschen unterschiedlichen Alters, auch eine Familie mit Kindern und Hund. Das Publikum konnte die Reise in diesem Film auf eine neue Weise "miterleben" – die Strapazen wie auch die Glücksmomente: Man sah die Erschöpfung der Wanderer auf dem steilen Pass, ihre Freude über den kühlen Drink auf der Almhütte, die Blasen an den Füßen der Kinder und spürte ihre die Sorge um den Hund, der Murmeltieren hinterherjagte und ewig nicht wiederkam. Und Tamina brach am Ende der Wanderung sogar ungeschminkt und unverstellt in Tränen aus, weil sie einerseits glücklich war, am Ziel zu sein, andererseits ihre eigene Familie so arg vermisste.

Für "Wunderschön!" war damit ein neuer Weg gefunden. Es folgten weitere Sendungen, die sich konzeptionell aus den Alpenwanderungen ableiteten: eine Hausboottour auf dem Canal du Midi, eine Eselwanderung durch die Steiermark, Segeltouren in Dalmatien oder rund um Mallorca oder auch Fahrradtouren, zum Beispiel durchs Ruhrgebiet oder auf dem Ostseeradweg.

Tamina Kallert taucht in einem Fischbecken auf Rhodos. | Bildquelle: WDR

Begünstigt wurde dieser neue, konzeptionelle Weg durch eine technische Entwicklung bei Kamera und Ton. Noch 2012 mussten 15 Kilogramm schwere Kameras und 10 Kilogramm schwere Stative geschleppt werden. In den Folgejahren veränderten sich die Kameras, die professionelle Fernsehqualität liefern, deutlich – sie wurden noch kleiner und leichter. Auf einmal waren Fahrten im wackeligen Kanu möglich, die früher wegen der schweren Geräte sogar aus Sicherheitsgründen verboten waren.

Nun konnte man wasserdichte und weitgehend stoßfeste, kleine Kameras an Fahrrädern, Schlauchbooten und Skiern befestigen. Sogar Unterwasseraufnahmen beim Schnorcheln wurden in hoher Qualität möglich. Auch die technische Entwicklung der Handykameras spielt bei der weiteren Entwicklung von "Wunderschön!" eine wichtige Rolle. Schon bei der besagten Alpenwanderung 2015 hatten Tamina Kallert und auch einige ihrer Mitwanderer Handys dabei, deren Bilder man auch damals schon bei einer HD-Ausstrahlung verwenden konnte. Tamina konnte so auf der Wanderung jederzeit selbstständig ihr Handy aus der Tasche nehmen, wenn sie etwas sagen oder zeigen wollte, das ihr wichtig war. Das machte "Wunderschön!" als Reiseerlebnis sehr viel authentischer, als das früher mit dem schweren Equipment möglich gewesen wäre.

Bei aller Liebe zum authentischen Erleben, zum reportageartigen Erzählen der Reise, nahm sich die Redaktion bei der konzeptionellen Überarbeitung der Sendung aber fest vor, die beiden anderen Erfolgsgaranten von "Wunderschön!" nicht außer Acht zu lassen: Weiter fest integriert sind bis heute atemberaubende Landschaftsansichten und unterhaltende Information.

Die neue Machart, die die Redaktion seit 2015 entwickelt hat und seitdem auch immer weiter fortentwickelt, legt großen Wert darauf, wie der Moderator, die Moderatorin die Reise durch die Region empfindet. Genauso wichtig ist es aber auch, dass die Betrachter beim Zuschauen eigene Gefühle entwickeln, die Situation quasi miterleben können: Dass sie den Atem anhalten, wenn es auf einer Zip-Line ins Tal geht, staunen über eine Geschichte aus der Region, die sie noch nicht kannten, schmunzeln über die Eigenheiten origineller Personen oder sich auch einfach freuen, etwas wiederzusehen, wo sie selbst schon mal waren. Wer fühlt, dass sich in ihm etwas bewegt, guckt den Film gerne weiter.

Ganz besondere Emotionen erzeugen natürlich auch stets gut gedrehte Landschaftsaufnahmen, die bei "Wunderschön!" von Anfang an eine große Rolle gespielt haben. Wir haben die Präsentation über die Jahre weiter verfeinert, zum Beispiel bei der Auswahl auf die Musik, die am besten nicht durch gesprochenen Text unterbrochen wird und ein bisschen wie im Kino klingen soll.

Rügens Kreideküste - eindrucksvoll aus der Luft aufgenommen | Bildquelle: WDR

Auch hier kommt uns seit einigen Jahren eine technische Entwicklung zugute. Denn die eindrucksvollsten Landschaftsbilder werden aus der Luft gemacht. Der Mensch fliegt als Zuschauer halt gerne wie ein Vogel über das Land.

In den ersten zehn Jahren von "Wunderschön!" mussten Hubschrauber angemietet werden, falls sich das Luftbildmaterial nicht ankaufen ließ. Etwa 2013 erfolgte auch auf diesem Sektor ein geradezu revolutionärer technischer Umbruch. Die Kamera in der Luft, die bis dahin noch von einem Hubschrauber bewegt und von dort bedient werden musste, flog nun allein: Die Zeit der filmenden Drohnen war angebrochen. Heute gehören sie zum festen Equipment jeder "Wunderschön!"-Sendung.

Die größte programmliche Innovation der vergangenen Jahre fand 2021 statt. Tamina Kallert, die aus einer musikalischen Familie kommt und selbst mehrere Instrumente spielt, moderiert seit vielen Jahren Konzerte des WDR-Funkhausorchesters. So entstand der Kontakt für ein gemeinsames Film-und Musikprojekt. Schnell merkten alle: In so einer Zusammenarbeit steckt wirklich jede Menge "Musik" drin. Beschlossen wurde, einen "Wunderschön!"-Film zu machen, dessen musikalische Gestaltung vollständig in die Hände eines Komponisten oder einer Komponistin gelegt werden sollte. 90 Minuten komponierte Musik für "Wunderschön!". Das kennt man sonst nur von großen Kinofilmen. Teil der Umsetzung sollte auch immer ein öffentliches Konzert sein, bei dem das Funkhausorchester vor einer Großleinwand live die Filmmusik zum Bild spielt.

So geschah es. Sendung und Konzert des Films "Norwegens Westen. Vom Sognefjord nach Bergen" hatten im Juni 2022 Premiere. Beim Publikum ist das Ereignis blendend angekommen, vielleicht weil eine eigens gemachte Filmmusik ungeahnte Effekte möglich macht, vielleicht aber auch, weil der Film alle Erfolgsrezepte, die in den vergangenen 20 Jahren erarbeitet wurden, in sich vereint und auf die Spitze treibt: Atemberaubende Landschaftsaufnahmen, eine Musik, die unter die Haut geht, noch weniger Text, als bei den anderen Filmen der Reihe, eine Kameraführung, die dem Publikum das Gefühl gibt mitzureisen und wie immer eine mutige, gutgelaunte Tamina Kallert, die Land und Leute neugierig und freundlich in sich aufnimmt.

Tamina spielt auf der Geige der norwegischen Stargeigerin Ragnhild Hemsing. | Bildquelle: WDR

Besonders Zuschauer der jungen und mittleren Altersgruppe waren sehr angetan von diesem "Wunderschön!" im cineastischen Gewand. Auch in Zukunft soll es nun solche besonderen Sendungen in Zusammenarbeit mit dem WDR-Funkhausorchester geben. 2023 wurde in dieser Machart eine Wanderung durch die Dolomiten ausgestrahlt, eine Reise durch Yorkshire in Nordengland folgt 2024.

Das große Repertoire von "Wunderschön!" ist nach wie vor auch bei anderen ARD-Sendeanstalten gefragt. Zahlreiche Folgen werden daher mit positiver Resonanz in weiteren Sendegebieten ausgestrahlt. Inzwischen erstellt der WDR gemeinsam mit dem SWR und dem NDR jährlich mehrere Folgen in Koproduktion. Judith Rakers vom NDR und Ramon Babazadeh vom SWR bilden zurzeit mit den WDR-Köpfen Daniel Aßmann und Tamina Kallert das aktuelle Moderatorenquartett. "Wunderschön!" wurde im Laufe der Jahre zum Markenzeichen und Dauerbrenner in der medialen Reisewelt. Die Sendung kann zeitsouverän in der ARD-Mediathek abgerufen werden und ist fester Bestandteil im Repertoire von "ARD Reisen" auf YouTube. Die Macher und Macherinnen haben jedenfalls noch Lust und viele Ideen, um die Reisesehnsucht des Publikums zu stillen, egal, in welchem Medium es "Wunderschön!" folgt.

Die Moderatorinnen und Moderatoren: Judith Rakers, Daniel Aßmann, Tamina Kallert, Ramon Babazadeh (v.l.n.r.) | Bildquelle: wdr

Wir danken allen Moderatorinnen und Moderatoren, allen Autorinnen und Autoren, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Redaktion, Produktion und Technik für die langjährige, kreative und engagierte Arbeit an der Sendung "Wunderschön!"

Moderatorinnen und Moderatoren

  • Tamina Kallert seit 2004
  • Stefan Pinnow 2007 – 2019
  • Andrea Grießmann 2011 – 2021
  • Katty Salié 2011 – 2013
  • Marco Schreyl 2016 – 2020
  • Anne Willmes 2018 – 2023
  • Daniel Aßmann seit 2020
  • Judith Rakers seit 2021
  • Roman Babazadeh seit 2022

Autorinnen und Autoren in alphabetischer Reihenfolge, die "Wunderschön!" geprägt haben

  • Ulrike Bartels 2004 – 2021
  • Antje Baumgarten seit 2016
  • Jutta Brinkmann 2014 – 2018
  • Karen Flunkert seit 2015
  • Sabine Fricke 2013 – 2020
  • Ralf Gierkes 2005 – 2017
  • Michael Haarkötter 2005 – 2009
  • Beate Höfener seit 2007
  • Agnieszka Jankowska seit 2021
  • Anja Koenzen seit 2013
  • Thomas Rosteck 2011 – 2016
  • Andreas Schlosser seit 2021
  • Per Schnell 2008 – 2018
  • Tobias Spelz 2019 – 2021
  • Dieter Schug seit 2015
  • Alice Tschöke seit 2017
  • Caro Wagner seit 2010
  • Joshua Werner seit 2021
  • Michael Wieseler seit 2008
  • Linda Windmann 2008 – 2016
  • Monika Winhuisen 2013 – 2020