Produktion und Tradition im Siegerland

Stand: 24.10.2021, 20:15 Uhr

Auf dem malerischen Biohof Heckseifen bei Langenholdinghausen leben Kühe, Katzen, Gänse und Ziegen. Die Eisenverhüttung hat im Siegerland eine jahrtausendealte Geschichte. Und im Kohlenmeiler in Walpersdorf wird heute noch Holzkohle produziert.

Kreislauf des Lebens

Drei Generationen bewirtschaften den malerischen Biohof Heckseifen bei Langenholdinghausen. Auf dem Hof und den saftigen Weiden leben Kühe, Katzen, Gänse und Ziegen. Langweilig wird es hier also nie – schon gar nicht für die Töchter von Kurt Ohrndorf, die den Hof inzwischen führen. Zwischen Geburtshilfe für Kälbchen und dem Ernten der Kartoffeln ist bei aller Arbeit aber auch Platz für Träume: Sonja Ohrndorf möchte ihre Lieblingskuh gerne zum Reittier ausbilden. Der Biobetrieb produziert vor allem Milch, die wegen der besonders artgerechten Haltung der Tiere ein bisschen teurer ist als normale.

Feuer – mal mehr, mal weniger

Die Eisenverhüttung gehört zum Siegerland wie der Wald. Schon vor über 2.000 Jahren war die Region bekannt für ihre Eisenproduktion. Die größten bislang bekannten Verhüttungsöfen ihrer Epoche in Europa standen hier. Keltische Hüttenleute gewannen damit große Mengen an Stahl. Vor einigen Jahren fanden Archäologen hier zwei gut erhaltene Verhüttungsöfen, die vermutlich aus dem 2. oder 1. Jahrhundert vor Christus stammen. Auch mittelalterliche Öfen wurden hier gefunden, kurioserweise waren die den Öfen aus der Eisenzeit jedoch technisch unterlegen. Den Wandel der Technikgeschichte konnte man so zwar belegen, nicht jedoch umfassend erklären.

Kein Stahl ohne Bergbau. Insgesamt 660 Gruben gab es im Siegerland, in denen Eisenerz abgebaut wurden. Die Grube Stahlberg war bekannt für ihr besonders hochwertiges Erz. Das wurde in den Hammerwerken zu Stahl verhüttet. Über Jahrhunderte kam das Material für die Solinger Klingenindustrie von hier. Heute genießen die Siegerländer Stahlarbeiter einen Ruf, der über Kontinente reicht. Der amerikanische Künstler Richard Serra schickt seit mehr als 25 Jahren seine Entwürfe für die gigantischen Stahlkunstwerke ins Siegerland, wo die Stahlformer als eigentliche Künstler in Erscheinung treten: Bis zu 150 Mal wird der Stahl von ihnen an genau berechneten Stellen mit tonnenschwerem Druck um nur wenige Millimeter gebogen. Ohne diese Spezialisten könnte Serra seine Skulpturen nicht realisieren. 

Siegerländer Stahlarbeiter richten tonnenschwere Stahlplatten für den amerikanischen Künstler Richard Serra. | Bildquelle: WDR

Zwei Spezialitäten: das Schanzenbrot und das Kartoffelbrot

Nicht ganz so heiß wird es im Siegerländer Backes in Oberheuslingen. Solche traditionellen Brotbackhäuser standen früher – auf Geheiß des Landesherrn – in jedem Dorf. Verfügt hat das bereits im 16. Jahrhundert Johann VI., Graf zu Nassau, mit seiner Holz- und Waldverordnung. Darin hieß es unter anderem: "In jedem Dorff sollen ettliche gemeine Backofen verordnet werden". Man wollte, musste Holz sparen, denn das brauchte man dringend für die Eisenverhüttung. So machte damals jedes Haus seinen eigenen Brotteig, fuhr den mit dem Schuffbock zum Backes und schob ihn dann in den Ofen.

Heute treffen sich die Ehrenamtlichen jeden zweiten Monat hier. Es gibt nur noch zwei Teige, aber die werden gemeinsam bearbeitet. Vor dem Verkaufstag am frühen Abend geht es los – und dann die Nacht hindurch. Es ist ein bisschen wie früher, wenn sich das Dorf zum Backen, aber auch zum Austausch des neuesten Klatsches einfand. In Oberheuslingen gibt es zwei Spezialitäten: das Schanzenbrot, das so heißt, weil zwischen den Backgängen der Ofen noch mal mit Reisigbündeln (Schanzen) durchgeheizt wird. Und ein Kartoffelbrot, den Bäckel – wahlweise süß oder herzhaft.

Anne Willmes lernt das Brotbacken in einem Backes, einem alten traditionellen Backhaus, kennen. | Bildquelle: WDR/Carolin Wagner

In Walpersdorf arbeitet ein Köhler in zehnter Generation

Richtiges Feuer darf es im Meiler in Walpersdorf nicht geben, sonst wäre die ganze Mühe umsonst. Der Köhlerplatz hier ist einer der wenigen, die noch betrieben werden. Reinhold Wagener ist Köhler in zehnter Generation. Sein Vater und Onkel waren die letzten hauptberuflichen Köhler im Siegerland. Bis ins letzte Jahrhundert schwelten in den Tälern noch Hunderte Kohlemeiler. Hier in Walpersdorf will man die Tradition aufrecht erhalten. Und daran erinnern, dass Holzkohle nicht nur zum Grillen da ist, sondern früher wichtige Energie lieferte. Beim Vorgang der Pyrolyse wird das Holz unter Luftabschluss und ohne Sauerstoffzufuhr verkohlt, die leichtflüchtigen Bestandteile des Holzes verbrennen dabei. Die übrigbleibenden 35 Prozent Holzkohle brennen heißer als Holz und sind damit zwingend notwendig für die Eisenverhüttung, die hier im Siegerland auf eine genauso lange Geschichte zurückblickt wie das Köhlerhandwerk. Der Meiler liegt übrigens am 5 Kilometer langen Köhlerpfad, einem Rundweg, bei dem man mehr über die Geschichte der Köhlerei erfährt.

Anne Willmes hilft beim Aufschichten des Kohlemeilers in Walpersdorf. | Bildquelle: WDR

Lesetipps für das Siegerland

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Rothaarsteig von Brilon nach Dillenburg
Conrad Stein Verlag, 2. Aufl. 2022
ISBN 978-3866867710
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Jörn Heller
111 Orte in Siegen-Wittgenstein, die man gesehen haben muss
Emons Verlag, 2020
ISBN 978-3740809768
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Gabriele Bensberg
Das Siegerland: Besondere Region - Besondere Menschen
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