Das Stadion in Chemnitz steht für die bislang augenfälligste Machtdemonstration von Neonazis in einem deutschen Fußballstadion. Am 9. März 2019 halten Fans eine pompöse Trauerfeier für den bekennenden Neonazi Thomas Haller ab - dieses Gedenken war mit der damaligen Vereinsführung abgestimmt und genehmigt.
Haller war Mitbegründer von HooNaRa (Hooligans, Nazis und Rassisten) - eine gewalttätige Hooligan-Gruppierung, die noch immer vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Er machte aus seiner Gesinnung nie einen Hehl, durfte aber trotzdem den Ordnungsdienst im Verein organisieren.
Trauerfeier als "Zäsur der Vereinspolitik"
Die Trauerfeier machte deutlich, dass der Chemnitzer FC von radikalen Rechten unterwandert ist - schon seit Jahren. Bis heute ist es dem Klub trotz aller Versuche der inzwischen neu formierten Vereinsführung nicht gelungen, wirklich aufzuräumen. "Vieles war in den vorherigen Jahren möglicherweise schon im Verein bekannt, fragen Sie mich nicht warum und weshalb. Man hat es nicht sehen oder erkennen wollen", sagt Siegfried Rümmler, stellvertretender Vorstandschef des Chemnitzer FC, zu Sport inside.
Der 9. März habe einen großen Imageschaden für den Chemnitzer FC gebracht, sei aber auch eine Zäsur der Vereinspolitik gewesen. "In diesem Sinne hatte er auch etwas 'Positives', in Gänsefüßchen gesprochen, weil seitdem eine neue Vereinspolitik kreiert worden ist."
Manager Sobotzik verlässt Chemnitzer FC
Doch die stößt auf massive Widerstände. Wer sich in Chemnitz offen gegen die Neonazis stellt, wird bedroht. Im Herbst verließ Sportdirektor Thomas Sobotzik den Verein, nachdem er von den rechten Fans angefeindet worden war. Als Sobotzik den ehemaligen Mannschaftskapitän Daniel Frahn feuerte wegen dessen Solidaritätsbekundungen und Nähe zu rechten Fans, wurde die Situation für Sobotzik unerträglich und beängstigend.
Als ein neuer Fanclub Flagge gegen die Neonazis zeigte, wurden seine Mitglieder bedroht. Mittlerweile hängt die Regenbohne-Fahne des Fanclubs nicht mehr auf der Tribüne. Der Initiator hat seinen Wohnsitz geändert, geht nicht mehr ins Stadion.
Rückschläge für den Verein
Was tut der Verein? Er hat einen Arbeitskreis "Werte und Fanarbeit" gegründet mit Vertretern der Stadt, Sozialarbeitern und Fans. Er hat eine Fan-Fahrt ins ehemalige Konzentrationslager Buchenwald organisiert, um ein Zeichen zu setzen. Er hat jetzt einen Anti-Rassismus-Beauftragten, der seinen Job mit großen Schwung angegangen ist: Daniel Maaß.
Mittlerweile aber will Maaß kein Interview mehr geben, sagt Sport inside, er sei desillusioniert und unzufrieden mit seiner Akzeptanz bei Fans und Verein. Seine Zukunft sei unsicher. Auch der neue hauptamtliche Fanbeauftragte hat schon wieder gekündigt - Nackenschläge für die neue Vereinsführung.
SPD-Landtagsabgeordnete wünscht sich mehr Entschlossenheit
Hanka Kliese war einst Spielerin beim Chemnitzer FC, ist heute SPD-Landtagsabgeordnete. Sie würdigt, dass ihr Verein in den vergangenen Monaten versucht hat, die Vorfälle aufzuarbeiten, aber mit den Ergebnissen ist sie nicht zufrieden.
"Was ich mir wünsche wäre, dass man das Auftreten gegen rechtsextreme Strukturen viel, viel offener und deutlicher zeigt", sagt Kliese. "Es wird zwar ein bisschen was gemacht, aber eher hinter vorgehaltener Hand. Es wirkt immer noch so, als wäre es etwas Peinliches, über das man nicht reden dürfte, dass man sich hier gegen Rechtsextremismus engagiert."
Doku "Hass und Gewalt im Fußball"
Das WDR-Magazin Sport inside beschäftigt sich in der Doku "Hass und Gewalt im Fußball - Wie Neonazis Vereine unterwandern" mit antisemitischen und rassistischen Vorfällen auf Deutschlands Sportplätzen. Der Abschnitt über die Lage beim Chemnitzer FC beginnt bei 19:38 Minuten.