Die Kneipe des Sporthotels in Köln-Brück ist rustikal gestaltet: Falsches Fachwerk trifft auf Naturstein. Seit im März hier 95 Flüchtlinge eingezogen sind, findet jeden Sonntag der "Tag der offenen Tür" der Initiative "Willkommen in Brück" statt. An den Tischen sitzen Grüppchen von Leuten, es wird viel gelacht. An einem erklärt ein Rentner einem jungen Mann die Deutschlandkarte, an einem anderen übt Annabel mit Amid deutsch. Der 30jährige Elektroingenieur kam vor einem Jahr aus Syrien, anderthalb Monate dauerte seine Flucht durch die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien.
Seit März lebt er hier in Brück. Seit zwei Wochen hat Amid eine Aufenthaltserlaubnis, das heißt: Er kann sich jetzt eine Arbeit und eine Wohnung suchen. Annabel, sagt er, "ist eine sehr hilfreiche Person". Sie will sich unter anderem darum kümmern, dass sein Diplom in Deutschland anerkannt wird. Doch der Psychologie-Studentin geht es nicht nur um solche konkrete Hilfe: "Ich will ihm auch eine gute Zeit bereiten, was von der Stadt zeigen, ihn mit meinen Freunden bekannt machen. Wir waren zusammen in einer Bar, auf einem Festival – solche Sachen."
"Wir sind für euch Nachrichtenmaterial"
"Der Tag der offenen Tür ist für uns der Dreh und Angelpunkt", sagt Heidrun Seeger, die zusammen mit Cordula Echterhoff für den WDR die zweiteilige Reportage "Willkommen - was jetzt? Ein Stadtteil und seine Flüchtlinge" dreht. "Wir haben sehr lange gebraucht, bis wir Flüchtlinge gefunden haben, die bereit waren mit uns zu reden", erzählt Heidrun Seeger. Manche hatten Angst um ihre Familien in der Heimat, doch es gab auch andere Bedenken. "Wir sind für Euch Nachrichtenmaterial", habe ein syrischer Flüchtling zu Seeger gesagt. Sie könne gut verstehen, "dass die da keinen Bock drauf haben". Es habe Monate gebraucht, den Flüchtlingen klar zu mache, dass das Team an ihrer Geschichte interessiert ist und nicht an einer Nachricht.
Es war Hermon aus Eritrea, der schließlich sagte: "Es betrifft so viele meiner Freunde und Verwandte, eine ganze Generation in Eritrea, und man weiß so wenig über unser Land. Ich möchte, dass Ihr mehr über uns erfahrt". Damit war das Eis gebrochen. Auch heute ist das Filmteam dabei, schaut den Leuten an den Tischen über die Schulter, führt Interviews mit Helfern. Die Reportage lässt alle zu Wort kommen – Flüchtlinge, Helfende und auch Gegner – und zeichnet so ein Stimmungsbild des bürgerlichen Kölner Stadtteils.
"Wir wollten einfach mit unverstelltem Blick schauen, was passiert, wenn in einem kleinen Wohnviertel plötzlich auf einen Schlag über 300 Flüchtlinge aus 21 Nationen auftauchen", sagt die verantwortliche Redakteurin Angelika Wagner. Als die Dreharbeiten begannen, war das Thema noch nicht täglich in den Nachrichten: "Von 800.000 oder gar einer Millionen Flüchtlingen war Anfang des Jahres noch keine Rede."