NRW aus der Vogelperspektive erleben, das Land mit dem Helikopter überfliegen: Für „NRW von oben“-Regisseur Jörg Siepmann war das ein Traumjob – aber manchmal auch eine extreme Belastung.
Im Sommer dieses Jahres produzierten wir den einen neuen Teil unserer Reihe „NRW von oben“. Ein Job, um den uns einige Kollegen und Freunde beneiden. Einige Tage mit dem Helikopter in die entlegensten Winkel unseres Landes zu fliegen, über den größten Städte kreisen und die schönsten Landschaften im Sonnenaufgang erleben - das klingt sehr verlockend. Direkt vorweg - das ist es auch und doch bin ich nach den Dreharbeiten froh, wieder festen Boden unter den Boden zu haben.
Hubschrauberkrank
"Hubschrauberkrank ist wie seekrank - nur schlimmer", sagt Jörg Siepmann, Regisseur von "NRW von oben". Und er muss es wissen, schließlich war er schon einmal monatelang auf einem Containerschiff unterwegs.
Die Herausforderung beginnt schon beim Schreiben gemeinsam mit Autor Rüdiger Heimlich. Wir erzählen die Siedlungsgeschichte NRWs von oben, also ausschließlich aus der Vogelperspektive und aus dem Helikopter. Das verspricht zwar spektakuläre Bilder, aber längst nicht jede Geschichte lässt sich aus dieser Höhe auch erzählen. So manches Relikt aus früheren Zeiten liegt mittlerweile verborgen unter einem nicht einsehbaren Wellblechdach oder schwarzer Dachpappe und ist damit für unsere Erzählung ungeeignet.
Virtuelle Vorbesichtigung am Computer
Alle Geschichten und möglichen Motive müssen daher zunächst am Computer per Google Earth vorgeflogen werden. So gewinnen wir erste, wichtige Erkenntnisse über die Lage und den Look unserer Drehorte. Liegt ein Dorf etwa am Fuße eines Hügels und kann nur von einer Seite angeflogen werden? Wann genau geht die Sonne über dem Hügel auf und beschert uns das beste Licht?
Bei einigen Motiven kommen wir über eine klassische Vorbesichtigung nicht herum, denn Strommasten, die tiefes Fliegen unmöglich machen oder aktuelle Baustellen, die den gesamten Bildeindruck zerstören können, zeigt der Computer nicht.
Schon vor Beginn der Dreharbeiten sind wir aus diesem Grunde nahezu die gesamte Route abgeflogen oder abgefahren. Am Ende steht ein Drehplan, der auf die Minute genau getimed ist, denn Helikopterfliegen ist teuer.
Endloses Warten auf gutes Flugwetter
Jetzt heißt es nur noch auf gutes Wetter warten. Und genau hier sollte im Sommer 2014 das Problem liegen. Schwere Hitzegewitter mit über 35 Grad oder trübes Herbstwetter führen immer wieder dazu, dass der Dreh verschoben werden muss. Zu Pfingsten fegt ein Sturm mit solcher Wucht über NRW, dass die Flugzeuge an unserem Startflughafen, die nicht im Hangar standen, jetzt auf dem Kopf stehen.
Das besonders Vertrackte daran ist, dass "gefühlt gutes Wetter" noch lange nicht bedeutet, dass es auch gutes Flugwetter ist. Entscheidend für das gute Gelingen ist die Fernsicht. So müssen wir uns zwangsläufig in aufkommende Hochdrucklagen, Feuchtigkeitswerte und Bodennebelprognosen einarbeiten. Nachdem wir einige Male am Vorabend wieder abgesagt haben, ging es endlich in die Luft.
„Helikopterkrank“ über Paderborn
Jeder von uns hat schon einmal auf einer Kirmes im Karussell gesessen. In der Regel bringt das Spaß und bereitet Vergnügen. Filmaufnahmen aus dem Helikopter fühlen sich in etwa so an, denn je waghalsiger die Flugmanöver, desto spektakulärer sind die Aufnahmen. Der entscheidende Unterschied ist die Dauer. Bei acht Stunden Karussell fahren kann einem schnell flau werden und genau so lange sitzen wir für sechs Tage im Helikopter.
Bei einem Flug über Paderborn müssen wir sogar landen, weil mir schlicht speiübel geworden ist. Die Crew fliegt ohne mich weiter, während ich mit der Regionalbahn zurück nach Köln fahr und Zuhause direkt ins Bett falle.
Besorgte Anrufe bei der Polizei
Das Gelingen der Aufnahmen hängt vom perfekten Zusammenspiel zwischen Pilot, Kamera-Operator und Bewegung am Boden ab. Und so müssen die Flugmanöver oft einige Male wiederholt werden, bis alles passt. In unserem Fall ist das besonders schwierig, da einige unserer Flugaufnahmen im Anschluss aufwändig im Computer bearbeitet werden, um zum Beispiel alte römische Siedlungen wieder auferstehen zu lassen.
Das bedeutet nicht nur für die Crew eine hohe Belastung, sondern auch für die Bevölkerung am Boden. Besonders über den Städten sorgt ein stundenlang kreisender Helikopter trotz behördlicher Genehmigung für Irritation, wenn nicht gar Verunsicherung.
An unserem Flugtag über Köln gingen zahllose Anrufe bei der Polizei ein, von Menschen, die wissen wollten was dieser Helikopter zu bedeuten hat. In einem Fall erhielten wir sogar einen Anruf vom Verteidigungsministerium, weil wir angeblich Waffenverladungen über einem Munitionsdepot beobachtet hätten. Zum Glück stellt sich das als Missverständnis heraus.
Mücken vor der Kameralinse
Es sind aber auch die ganz kleinen Dinge, die uns das Leben schwer machen können. Unsere Kamera hängt unter dem Helikopter und wird vom Inneren des Helikopters heraus mit einem Joystick gesteuert. Je wärmer es wird, desto mehr Insekten sind in der Luft. Das bedeutet an Sommertagen etliche Unterbrechungen, da Insekten die Linse verunreinigen. Da wir nicht einfach auf einer Wiese zum Putzen landen dürfen, muss in diesem Fall immer der nächste Flughafen angeflogen werde. Je nach Entfernung kommen dann wegen einer Mücke gerne mal ein paar Hundert Euro zusammen, das Gleiche gilt im Übrigen auch für plötzlich auftretende ganz menschliche Bedürfnisse...
Anfang Oktober haben wir die Dreharbeiten beendet. Hinter uns liegen Tausende Flugkilometer und über 60 Stunden im Helikopter. Das Gelingen der Aufnahmen hängt einerseits von einer guten Planung ab, andererseits aber bedeutet es auch ständiges Improvisieren mit Wind, Wetter und Licht. "Von oben" sieht die Welt anders aus und gewährt sehr spezielle Einblicke.