Wie sieht der Arbeitsalltag einer Elefantenpflegerin, einer Steinmetzin oder eines Geigenbauers aus? Wie verbringt ein Möbelpacker, ein Maler oder eine Maskenbildnerin den Tag? Wie steht man mit 77 Jahren eine Nachtschicht im Lkw durch? Und ist Bestatter tatsächlich ein Traumjob?
Filme aus dem persönlichen Blickwinkel
Verblüffende Antworten gibt die Dokumentation "Deine Arbeit, dein Leben", für die 62 Protagonisten ihren Arbeitsalltag mit der Videokamera oder dem Smartphone festhielten. Sie waren einem Aufruf des WDR gefolgt. Die preisgekrönte Regisseurin Luzia Schmid und der Cutter Rudi Heinen haben aus den ganz persönlichen Blickwinkeln der Menschen einen unbedingt sehenswerten Film gemacht.
Dabei hatten die verantwortlichen WDR-Redakteure Thomas Kamp, Lena Brochhagen und Christiane Hinz zuvor lange überlegt, ob sich das eigentlich sperrige Thema Arbeit in einem solchen Film-Experiment spannend umsetzen ließe. Von dem Ergebnis waren sie am Ende restlos begeistert. WDR.de hat mit ihnen über das ungewöhnliche Projekt gesprochen.
WDR.de: Die Leute hatten nur eine Vorgabe: "Filmt euren Arbeitsalltag!" Das Experiment hätte auch schief gehen können, oder?
Thomas Kamp: Die Gedanken haben wir uns natürlich vorher auch gemacht. Aber die Erfahrung zeigt, dass das Material, das die Leute nach solchen Aufrufen einsenden, immer professioneller wird. Wir haben da nichts dran gedreht.
WDR.de: Auch wenn die User-Beiträge bereits ein professionelles Grundgerüst für den Film liefern, mussten Regie und Schnitt daraus eine komplette Doku machen. Wie muss man sich das vorstellen? Aus wie viel Rohmaterial sind am Ende 60 Minuten geworden?
Christiane Hinz: Regie und Montage müssen erst einmal die vielen, vielen Einsendungen, über hundert Stunden, die zum Teil auch nur aus Schnipseln bestehen, sichten. Auch, um Themen, Parallelen, Kontraste, Protagonisten und Highlights zu finden. Das zieht sich über Wochen. Dann werden aus den vielen kleinen Schnipseln kleine dramaturgische Bögen, die am Ende montiert und mit der komponierten Musik den Film ergeben. Der bleibt unkommentiert.
WDR.de: Gibt es etwas, was euch überrascht hat? Szenen, die euch besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Christiane Hinz: Überrascht hat mich, wie wenig Einsendungen aus dem "normalen" Büroalltag kamen, wie viele hingegen von Leuten, die entweder irgendwann mal ihr Hobby zum Beruf, zum Geschäft gemacht haben, oder die ihrem Leben durch einen Jobwechsel beziehungsweise eine Existenzgründung noch mal einen anderen Twist gegeben haben.
Lena Brochhagen: Also was mich auch nach zwanzig Mal Gucken immer wieder schmunzeln lässt, ist die Elefantenpflegerin. Zum Beispiel, wenn der Elefant im Pausenraum zum Frühstück vorbei kommt. Es gibt aber auch Geschichten, an denen ich länger zu knabbern habe - wie die Geschichte des Lkw-Fahrers, der mit 77 Jahren noch Nachtschichten fahren muss, um sich ein anständiges Leben leisten zu können. Da kommt man schon ins Nachdenken. Das sind Momente, die länger nachwirken. Aber gerade diese Unterschiede in den Geschichten machen die Stärke des Films aus.
WDR.de: Was kann ein solcher Film leisten, was vielleicht eine normale Doku nicht leisten könnte?
Christiane Hinz: Eine Dokumentation, die aus User-Content besteht, besteht aus vielen Innensichten ihrer Einsender. Was diese Personen filmen, zeigen und dann auch einsenden, entspricht deren Blick und ist total subjektiv. Das ist das Spannende. Im Schnitt fügt die Regie diese vielen subjektiven Blicke dann zu einem großen ganzen zusammen. So entsteht aus den vielen subjektiven Teilchen eine bewegende und spannende Summe - der Film.
Thomas Kamp: Man kommt den Menschen sonst gar nicht so nah. Gleichzeitig lernt man durch den Film auch etwas über die Geschichte unseres Landes. Zum Beispiel wenn ein ehemaliger Mitarbeiter von Opel erst von der großen kollegialen Zusammenarbeit erzählt und dann davon, wie das Werk dicht gemacht und selbst der Werkschutz noch privatisiert wurde. Das ermöglicht in 2:30 Minuten einen Blick hinter die Kulissen, den ich sonst nicht bekomme.
WDR.de: Trotz nachdenklicher Szenen zeigt der Film viele Menschen, die mit ihrem Beruf zurfrieden sind - wie den ehemaligen Restaurantkoch, der jetzt eine Pommesbude hat und sagt, dass er dort genauso "mit Liebe" kocht.
Lena Brochhagen: Ja, und er macht das mit echtem Stolz. Es ist zwar nicht mehr die große Küche, dafür ist etwas, was er gut macht und was im Ruhrgebiet große Bedeutung hat.
Thomas Kamp: Der Film zeigt auch, dass es so etwas wie die Glücksmomente im Alltag gibt. Man muss dafür nicht im Lotto gewinnen, eine Schönheitskönigin heiraten oder einen Autoladen erben.
WDR.de: Habt ihr auch Berufe in dem Film entdeckt, die ihr noch gar nicht kanntet?
Christiane Hinz: Der Beruf des "Feelgood-Managers", der sich um das Wohlbefinden der Mitarbeiter, vom täglichen Obstteller über sportliche Betätigungen bis hin zum Betriebsfest kümmert, war mir bis dato gänzlich unbekannt.
Lena Brochhagen: Ja, genau - der Feelgood-Manager. Auf den sind wir wahrscheinlich alle neidisch.
Das Gespräch führte Katja Goebel