Eigentlich ging es bei der Recherche unserer Reporterin Astrid Houben um die Frage: Was soll das eigentlich sein: Diese Mini-Atom-Kraftwerke, sie sich die EU-Kommission vorstellt und fördern will. Astrid Houben machte sich an die Recherche - und fand etwas ganz anderes, noch sehr viel Spannenderes raus: Die Geschichte spielt in Hamm-Uentrop, im - inzwischen stillgelegten - Atom-Kraftwerk. Der promovierte Ingenieur Hermann Schollmeyer kam damals aus Mannheim zum dem Störfall nach Hamm-Uentrop und war für die Abschaltstäbe und die fünf Turbinen verantwortlich. Hier sind seine Schilderungen.
Was ist in Hamm-Uentrop passiert?
Hermann Schollmeyer: Der Reaktor wurde über drei Jahre in Betrieb genommen. Bei der Inbetriebnahme hatte man Schwierigkeiten mit dem Transport der Kugeln. Es handelt sich ja um einen Kugelhaufenreaktor mit 650.000 Kugeln. Jede Kugel hatte ein Gramm Uran und etwa zehn Gramm Thorium. Diese Kugeln mussten im Umlauf gehalten werden. Da ergaben sich Schwierigkeiten im Umlaufsystem, die im Wesentlichen durch diese Abschaltstäbe erzeugt worden waren.
Man hatte Abschaltstäbe entwickelt, die mehr oder weniger der Hosenträger waren für die ganze Inbetriebnahme. Sie wurden dann aber statt wie gedacht nur 13-, 14-mal dann über 30-mal voll in den Reaktor-Kern eingefahren und dabei haben sie die Kugeln beschädigt. Diese Beschädigungen waren nichts Großartiges. Man konnte sich die Kugeln ansehen, sie wurden ausgemustert. Man konnte von außen fast nichts sehen, es waren nur Abplatzungen an der äußeren Haut dieser graphitbeschichteten Kugeln. Abplatzungen, die dann aber in dem ganzen Kugelsystem zu einer Störung führten.
Wollte man diese Störung beseitigen ? Bislang ging man von einem technischen Defekt aus.
Schollmeyer: Im Vorfeld war schon immer der Wunsch da gewesen, dieses Kugeltransportsystem mal auszublasen mit Helium. Der ganze Reaktor lief ja mit Helium. Man hätte also Helium auf diese Rohrleitungen gegeben, und dann hätte man diesen Dreck ausblasen können. Aber da hatte man Hemmungen, dass damit viel Aktivität in die Luft kommen könnte. Und dann hatte man darauf verzichtet. Dann bot sich nach dem Unfall von Tschernobyl dann plötzlich die Möglichkeit an, eine durchziehende Wolke zu nehmen und in diese Wolke hinein, einmal diesen Reaktor auszublasen. Das wurde offensichtlich gemacht. Das war auch bekannt.
Müsste das aus Ihrer Sicht als Störfall bewertet werden?
Schollmeyer: Es war kein Reaktorstörfall. Es war ein Störfall, der durch falsches Handeln während der Inbetriebnahme zustande gekommen ist. Deshalb dürfte man es dem Reaktor nicht zur Last legen. Das zeigte sich auch hinterher, bei den Verhandlungen, die man mit der Landesregierung geführt hat. Da wurde dann festgestellt, dass für das Ausblasen noch nicht mal eine Vorschrift vorhanden war. Die wurde dann nachgereicht. Gleichzeitig muss ich sagen, es war ja schon daran gedacht worden auszublasen. Man hatte nur keine richtigen Filter. Aber die Filter waren bestellt. Man hätte nur etwas warten müssen.
Wie stehen Sie dazu, dass der Betreiber jetzt sagt, dass an den Vorwürfen nichts dran sei - dass es keine Absicht gewesen sei?
Schollmeyer: Ja, Was sollen die denn auch sagen? Sollen die sagen, sie haben das mit Absicht da rein geblasen? Denen bleibt ja nichts anderes übrig.