So viel religiöse und politische Prominenz hat sich noch nie in dem jüdischen Gotteshaus an der Kölner Roonstraße versammelt: Wenn Papst Benedikt XVI. die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen besucht, werden ihn fünf Kardinäle begleiten: der Kölner Erzbischof Joachim Meisner, Karl Lehmann als Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, der vatikanische Botschafter Angelo Sodano, der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, in Rom zuständig für den Dialog mit Nichtkatholiken, und schließlich Jean-Marie Lustiger, ehemaliger Bischof von Paris und jüdischer Abstammung. Begrüßen wird die Gäste auch Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der rheinische Präses Nikolaus Schneider vertritt die evangelische Kirche. Innenminister Otto Schily (SPD) und Kerstin Müller (Grüne) vom Auswärtigen Amt kommen für die Bundesregierung, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) für das Land NRW. Auch die Parteivorsitzenden Franz Müntefering (SPD), Claudia Roth (Grüne) und Lothar Bisky (PDS) wollen der Einladung der jüdischen Gemeinde folgen.
Johannes Paul II. machte den Anfang
So viel Prominenz unterstreicht den historischen Charakter der Feierstunde, die auch kaum länger als 60 Minuten dauern soll. Benedikt XVI. folgt den Spuren seines Vorgängers: Johannes Paul II. hatte 1986 die große Synagoge von Rom besucht. Zum ersten Mal überhaupt betrat ein katholisches Kirchenoberhaupt einen jüdischen Gebetsraum.
Dass dies noch keine zwanzig Jahre her ist, zeigt, wie schwer sich die "Geschwisterreligionen" mit ihrer Vergangenheit tun. Schon seit den ersten Jahrhunderten nach Jesus hatte die Kirche das Judentum als Religion der Vergangenheit betrachtet, nicht mehr legitim wegen des "neuen Bundes". Die Juden wurden als Gottesmörder verunglimpft (obwohl Römer den Juden Jesus kreuzigten), sie wurden unter christlichen Regierungen stets nur geduldet und immer wieder verfolgt oder ausgewiesen.
Erst ganz allmählich ging christlichen Theologen nach 1945 auf, wie viel diese unheilvolle Tradition auch zum Holocaust unter den Nazis beigetragen hatte: Der Boden für Judenhass war lange bereitet. Johannes Paul II. stellte sich dieser Geschichte, als er im Jahr 2000 ein kirchliches Schuldbekenntnis verfassen ließ und das Judentum um Verzeihung bat wegen aller, "die im Laufe der Jahrhunderte dich und deine Söhne leiden ließen". Bei seiner Israel-Reise steckte der Papst einen Zettel mit diesem Text in die so genannte Klagemauer in Jerusalem. Über das umstrittene Verhalten der katholischen Kirche während der Nazi-Zeit, über den verbreiteten Antisemitismus auch in Verlautbarungen seiner päpstlichen Vorgänger sagt dieses Bekenntnis allerdings nichts. Viele erwarten gerade hierzu ein Wort vom neuen Papst aus Deutschland. Zu Beginn seines Besuchs wird Benedikt XVI. mit dem Kölner Rabbiner Netanel Teitelbaum der 11.000 während des Holocaust ermordeten Kölner Juden gedenken.
Kontroverse um Terrorismus-Äußerungen
Irritationen unter jüdischen Beobachtern hatte eine Äußerung des neuen Papstes nach den jüngsten Terror-Anschlägen ausgelöst: Er hatte darin die Opfer in London, im ägyptischen Scham el Scheich und in der Türkei erwähnt, nicht jedoch die eines fast gleichzeitigen Anschlags im israelischen Netanya. Scharfe Kritik aus Israel hatte der Vatikan recht brüsk zurückgewiesen. "Wir wollen das Thema nicht noch einmal aufwärmen", sagte jedoch Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde in Köln, vor dem Besuch. Er wertet die Zusage Benedikt XVI. als ein Zeichen, "dass die Dinge vorbei sind, die die Kirche Jahrhunderte lang über die Juden verkündet hat."
Kölner Juden seit römischen Zeiten
Eine jüdische Gemeinde am Rhein wird erstmals im Jahr 321 erwähnt. Kölner Juden gibt es also solange wie Kölner Christen: beide kamen durch die römische Kolonie. Während die Christen jedoch später den imposanten Dom bauten, erlebten die Juden während der Kreuzzugszeit erste Pogrome und wurden 1424 anlässlich einer Pestepidemie ganz aus der Stadt ausgewiesen.
Erst die französischen Revolutionstruppen ließen sie 1798 wieder zurückkehren. 1899 baute eine blühende Gemeinde mit 8.000 Mitgliedern die große, neo-romanische Synagoge. Sie brannte in der Pogromnacht am 9. November 1938 bis auf die Grundmauern nieder. Die folgenden Jahre überlebte nur eine Minderheit der damals 20.000 Kölner Juden, meist durch Flucht ins Ausland. Die jüdische Nachkriegsgemeinde in Köln blieb klein, auch wenn die Synagoge 1959 wieder aufgebaut wurde. Erst seit der Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion nach 1990 verfünffachte sie sich wieder auf heute rund 5.000 Mitglieder.